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Risikoscheue Unternehmer

 ■ N O C O M M E N T

Die bundesdeutschen Unternehmer haben ein schlechtes Gewissen. Anders jedenfalls kann man die gerade vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) vorgelegte Analyse des Zusammenhangs von Risikoprämie und Investitionsverhalten nicht verstehen. Wort- und zahlenreich wird dort vorgeführt, daß sich „die Übernahme unternehmerischer Risiken in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten nur selten ausgezahlt“ hat.

Spätestens seit den Zeiten des Nationalökonomen Joseph Schumpeter ist bekannt, daß sich ein „echter“ Unternehmer durch die Übernahme von Risiken auszeichnet. Aus der Investition in Sachkapital und der geniösen Kombination der „Produktionsfaktoren“ verspricht sich ein solcher Unternehmer eine über dem Durchschnitt der Wirtschaft liegende Erfolgsprämie. Nun hat Schumpeter weitblickend erkannt, daß solche Soziotypen dünn gesät sind. Posthum wird er von den Statistikern des wissenschaftlichen Instituts der deutschen Wirtschaft jetzt eines besseren belehrt.

An Unternehmern mangelt es nicht. Allein: Die Bedingungen, die sind nicht so, daß sich Unternehmer wirklich als Unternehmer gebärden können. Die auch vom theoretischen Überbau der bundesdeutschen Wirtschaft zugestandene geringe Investitionsneigung soll ihren Grund in der geringen Risikoprämie der produktiven Kapitalanlage haben. Diese Risikoprämie wird definiert als Differenz zwischen den Renditen für Sachkapitalinvestitionen und den Erträgen aus vergleichsweise risikoarmen Finanzanlagen. Rein theoretisch könnte das niedrige Niveau sich aus zwei unterschiedlichen Gründen erklären lassen: Einmal mit der steigenden Ertragsrate für Finanzanlagen. Zum zweiten mit dem Absinken oder dem relativ langsameren Anstieg der Sachkapitalrendite. Daß die IW-Theoretiker bei ihrer Diagnose auf ein sachinvestitionsfeindliches Klima abstellen, dürfte niemand verwundern. Dennoch besitzt dieses Argument wenig ökonomische Plausibilität. Selbst den eigenen IW-Daten zufolge schwimmen die Unternehmen in Liquidität. Bleibt die Ertragsrate für Finanzanlagen. Die ist seit Anfang der achtziger Jahre in der Tat angestiegen. Die bundesdeutschen Unternehmen haben dies zu nutzen gewußt. Seit einigen Jahren, so die IW-Forscher, übersteigen die Erträge aus Finanzanlagen die Bruttoerträge aus dem operativen Geschäft.

Mit dem Schumpeterschen Unternehmen hat dies zwar nicht mehr viel zu tun. Aber Geld bringt diese Form unternehmerischen Handels auch ein. Vielleicht liegt darin sogar der Hebel für die Lösung des Arbeitslosigkeitsproblems. Die bundesdeutsche Produktion wird umgehend zugunsten von Finanzgeschäften eingestellt. Aus den erzielten Gewinnen werden die Löhne bezahlt - und Spekulationsprämien ausgeschüttet. Dann jedenfalls erübrigt sich jegliche Lamentiererei über die Bürden des unternehmerischen Berufs.

Kurt Zausel

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