Riesenflaute nach dem Höhenflug

■ Auf der Brust das Signum einer Schwindelfirma: Beim FC Chemie Halle folgte nach der Siegesserie der gewohnte Sturz in die Bedeutungslosigkeit/ Bundesliga-Träume sind in weite Ferne gerückt

Ganz Halle träumte ihn im Herbst vergangenen Jahres, den großen Traum von der Bundesliga. Der HFC Chemie, jahrelang von Freund und Feind in der DDR-Oberliga herablassend „Hallescher Flaschen-Club“ genannt, hatte eigentlich ohne jeden Anlaß zum ersten und einzigen Höhenflug der Vereinsgeschichte angesetzt. Seit Anfang der sechziger Jahre war das nicht mehr passiert: Halle, die ewige Fahrstuhlelf aus Sachsen-Anhalt, spielte schön, spielte erfolgreich und etablierte sich zum Ende der ersten Halbserie auf dem dritten Tabellenplatz der Oberliga Nordost.

Doch dann nahm das Verhängnis seinen Lauf. Mißmanagement, Überschätzung der eigenen Kräfte und Möglichkeiten, dazu noch eine miserable Saisonvorbereitung — als würde der Klub nicht in der zweiten Halbserie ums eigene Überleben spielen müssen, leistete sich das HFC-Präsidium einige schlimme Pannen. Eine Saisonvorbereitung fand praktisch nicht statt. Zwar hatte Klubpräsident Jochen Büttner einen prima Trainingstrip nach Malta geplant, letzen Endes aber blieben von den angeblich fest vereinbarten Trainingstreffen gegen maltesische Spitzenmannschaften (?) bloß ein paar komische Kicks mit unterklassigen Vertretungen. Trainiert werden mußte auf Hartplätzen, die Hotels waren schlecht und mußten zu allem Überfluß am Ende auch noch aus der leeren Klubkasse gelöhnt werden.

Die Stimmung in der Elf war vorm ersten Spiel logischerweise auf dem Nullpunkt. Hatte man doch gerade fertiggebracht, gegen den Tabellenletzten Viktoria Frankfurt/Oder zu Hause nicht zu verlieren, folgte die erste Niederlage aber schon eine Woche später in Erfurt. Und der Anfang vom Ende war gemacht.

Wenigstens präsentierte man den nach Erfolgserlebnissen lechzenden Fans erstmal den künftigen Werbepartner für die Trikotbrüste. 150.000 DM wollte es sich die „angesehene Modefirma“ Modeco kosten lassen, die HFC-Kicker mit ihrem Firmensignum auflaufen zu lassen. Und die liefen — obgleich es doch noch am Tage vor der Vertragsunterzeichnung deutliche Hinweise darauf gegeben hatte, daß Modeco eine von den vielen in Teutschenthal ansässigen Scheinfirmen war.

HFC-Präsident Büttner aber, von der Treuhand justament zu diesem Zeitpunkt als Chef einer großen örtlichen Baufirma abberufen, legte die Hand für Modeco ins Feuer: „Das Geld ist schon überwiesen!“ Was natürlich nicht stimmte. Dafür lief der HFC stolz mit der neuen Brustwerbung herum und verlor weiterhin ein ums andere Mal. Aus dem Himmelreich der Tabellenspitze folgte der Absturz in die Niederungen.

Mitte April endlich platzte der Schwindel mit der Trikotwerbung. Modeco, der freigiebige Sponsor, war nach dem Auffliegen des halleschen Sparkassenskandals plötzlich verschwunden. Die Stimmung im Verein nähert sich indessen dem absoluten Tiefpunkt. Sieben Spiele ohne Sieg, ganze drei Pluspunkte aus der Rückrunde, Tabellensturz von drei auf neun, auf der Tribüne gähnende Leere und an jedem Wochenende die Aasgeier der finanzstarken Westvereine, die sich gleich im Halbdutzend um Halles Mittelfeldstar Darius Wosz bewerben.

Weder die Kopfwäsche im Gefolge der 2:0-Niederlage beim Landesrivalen Magdeburg, noch die nun in allerhöchster Not wiederentdeckten Erfolgstrikots nutzen was: Auch gegen den Lokalrivalen Lok Leipzig, den man im Herbst noch 3:0 vor eigenem Publikum niedergestürmt hatte, gab es statt des erhofften „höchsten Sieges der Klubgeschichte“ (Abwehrspieler Wüllebier) bloß ein glückliches 2:2. Die Bundesliga jedenfalls ist für den HFC Chemie in weite, weite Ferne gerückt. Steve Körner