■ Ahndung eines Verbrechens: Richter meiden Politik
Ein Verbrechen ist von der Justiz gesühnt, aber die Tat ist nicht erklärt worden. Zwei der jungen Männer, die vor zehn Monaten in dem U-Bahnhof auf Silvio Meier und seine Freunde mit Messern losgingen, müssen ins Jugendgefängnis, und Haftstrafen, so zeigen die Erfahrungen des vergangenen Jahres, wirken auf gewaltbereite rechtsextreme Jugendliche abschreckend. Nach der Tat hatte sich die Polizei alle Mühe gegeben, einen politischen Hintergrund der Tat auf dem U-Bahnhof zu leugnen. In der ersten Meldung war schlicht von einer Messerstecherei die Rede. Dann besuchten Kripobeamte den überlebenden Freund Silvio Meiers im Krankenhaus und wollten eine Aussage, wonach die Gewalttat mit Politik gar nichts zu tun habe. Als glaubwürdig bezeichnete die Polizei kurzfristig gar die Aussage des Haupttäters, wonach seine Gruppe unbewaffnet gewesen sei und Silvio Meier das Messer mitgebracht habe.
Solche Ausflüchte haben nicht lange den Tathergang verschleiern können, den das Gericht nun seinem Urteil zugrunde gelegt hat. Aber in der Urteilsbegründung, soweit sie bekanntgeworden ist, bleibt das politische Umfeld der Tat weiter konsequent ausgespart. Ist ein bekannt rechtsradikaler Treffpunkt ein neutraler Ort, ein Streit um einen Deutschland-Aufnäher schicksalhaft und der triumphierende Spruch „Ihr linken Säue, jetzt haben wir es euch gezeigt“ unpolitisch? Die Schuld – und damit die Strafen – der Angeklagten wäre vielleicht nicht anders beurteilt worden. Aber mit einer Diskussion der politischen Motive hätte das Gericht nur Vertrauen gewinnen können – auch bei Silvio Meiers Freunden, die ohnehin schon das Gefühl haben, sie seien in der Auseinandersetzung mit Rechtsradikalen auf sich allein gestellt. Die Jugendrichter mögen denken, sie handelten neutral. Aber auch mit ihrem Vermeiden machen sie Politik – freilich keine gute. Hans Monath
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