■ Reim dich, oder ich freß dich!: Richter als Dichter
Berlin (dpa/bb/taz) – Juristensprache muß nicht immer trocken sein. Urteile in Versen sind zwar nicht die Regel, doch immer wieder versucht sich der eine oder andere Richter, wie Veröffentlichungen in einschlägigen Fachzeitschriften beweisen, als Poet.
So reimte jüngst das Amtsgericht Höxter in einer Verkehrssache etwas holprig:
„Am 3. 5. 95 fuhr mit lockerem Sinn der Angeklagte in Beverungen dahin. / Daheim hat er getrunken, vor allem das Bier, / und meinte, er könne fahren hier. / Doch dann wurde er zur Seite gewunken. / Man stellte fest, er hatte getrunken. / Im Auto tat's duften wie in der Destille. / Die Blutprobe ergab 1,11 Promille. / Das ist eine fahrlässige Trunkenheitsfahrt, / eine Straftat, mag das auch klingen hart...“
Geheimnisvollerweise neigen vor allem Amtsrichter zu Justiz- Lyrik. In einer fehlerlos gereimten Entscheidung des Amtsgerichts Northeim geht es um Beulen an einem Pkw, die beim Einfangen einer herrenlosen Kuh entstanden waren. Das Gericht wies die Klage des „Kuheinfängers“ ab und stellte fest:
„Der Kläger hat, wie's oft passiert, / ein wenig überreagiert. / Er hat es sicher gut bedacht, / als er die Kuh ins Dorf gebracht. / Doch tat ihm dieses gar nichts nützen, / er bleibt auf dem Schaden sitzen / und muß, das bleibt auch ohne Fragen, / für den Fall die Kosten tragen (Paragraph 91 ZPO).“
Aber sind gedichtete Urteile überhaupt rechtmäßig? Bereits 1989 befand der Justizrat Werner Beaumont: jawohl. Der Gesetzgeber stelle nur an den Inhalt gewisse Anforderungen – sage aber nichts darüber, ob sich der Richter in Versform oder in Prosa äußern dürfe. Etwas anderes sei es jedoch, ob die juristischen Reime auch immer geglückt seien. „Nicht jeder, der sich in Reimen versucht, ist auch ein Dichter. Nicht aus jedem Amtsschimmel wird abends ein Pegasus“, erkannte Beaumont.
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