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Archiv-Artikel

Rezepte gegen Armut sind bekannt KOMMENTAR VON DOMINIC JOHNSON

Der Kampf gegen Hunger ist ein undankbares Unterfangen. Erfolge messen sich nicht in Legislaturperioden, sondern in Generationen. Viele Jahre geduldiger Reformen auf kleinem Niveau sind nötig, damit in Gebieten mit chronischer Nahrungsmittelknappheit die landwirtschaftlichen Erträge gesteigert, die Einkommen der Menschen verbessert und alternative Überlebensperspektiven aufgebaut werden können. Und wie immer in der Entwicklungshilfe gilt: Experten von außen können allein nichts tun – die betroffene Bevölkerung selbst ist Motor der Veränderung.

Die erschreckende Einsicht, dass die Zahl der Hungernden vor allem in Afrika weiter steigt und dass die Politik dagegen offenbar nichts tut, ist eine Erinnerung daran, dass politisches Handeln auch Selbstlosigkeit erfordert. Vielleicht ist gerade das der Grund für das von Hilfswerken beklagte Nichtstun der Regierungen – sowohl in den reichen Industrienationen wie auch in den afrikanischen Ländern selbst, deren Staaten die allererste Verantwortung für ihre Bürger tragen. Alle Politiker ziehen medienwirksame Selbstdarstellung – also viel zu spät mit Kameras zu halb verhungerten Kindern fliegen – der Basisarbeit mit den Armen vor. Das ist ein strukturelles, kein persönliches Problem und gilt auch für die, die es selbst besser wissen.

Es bedarf Visionen, um die nötigen entwicklungspolitischen Maßnahmen dennoch für die Politik attraktiv zu machen. Dies hatten, zum Unwillen vieler Experten in Deutschland, Jeffrey Sachs, Tony Blair und die Sänger Bono und Bob Geldof erkannt, als sie Anfang 2005 mit großen Plänen zur Rettung Afrikas die Weltöffentlichkeit für sich einnahmen. Der gestern vorgestellte Expertenbericht der Deutschen Welthungerhilfe und des International Food Policy Research Institute hat nun den Vorteil, auch praktische Arbeit in die Form von Visionen zu gießen: Er fügt die nötigen kleinteiligen Maßnahmen – Investitionen in besseres Wassermanagement, Bildung für Frauen, effizientere Anbaumethoden, ländliche Infrastruktur – in größere Zeitrahmen ein, die am Schluss eben doch merkbare Verbesserungen möglich machen. Rezepte liegen also auf dem Tisch. Ausreden gelten nicht mehr.