: Reuters Auftritt unter dem Stern
■ Auf der Daimler-Hauptversammlung herbe Kritik am scheidenden Vorstandsvorsitzenden / In den Aufsichtsrat gewählt / Daimler geht immer stärker ins Ausland / Arbeitsplatzabbau geht weiter
Stuttgart (dpa) – Den letzten Auftritt als Chef von Daimler- Benz hatte sich Edzard Reuter sicher anders gewünscht. Am Ende von knapp acht Jahren an der Spitze des größten deutschen Industriekonzerns mußte sich der 67jährige harter Aktionärskritik stellen. Nicht von Daimlers Hauptaktionär, der Deutschen Bank (24,4 Prozent). Deren Vorstandsvorsitzender Hilmar Kopper nannte Reuter einen Mann, „der Geschichte geschrieben hat – Unternehmensgeschichte – und noch ein wenig mehr“. Kleinaktionäre und kritische Aktionäre hingegen nahmen aus unterschiedlichen Blickwinkeln vor allem den von Reuter eingeleiteten Umbau des Unternehmens in einen integrierten Technologiekonzern ins Visier.
Der Konzernkritiker und Kleinaktionär Ekkehard Wenger warf Reuter „kontinuierliche Fehlleistungen“ vor. Daimler habe sich mit dem Einstieg in die Bereiche AEG und Dasa-Flugzeugbau „nur Probleme aufgeladen“, sagte der Wirtschaftsprofessor. Kritisiert wurde der Arbeitsplatzabbau und der Starke Rüstungsanteil der Daimler-Tochter Dasa.
Reuter verteidigte den von ihm eingeleiteten Umbau des Konzerns. Daimler-Benz habe sich einer veränderten Welt anpassen müssen, um zu überleben, sagte er. Er räumte Fehler ein, unterstrich aber, das Unternehmen sei inzwischen auf dem Weg zu einer „gefestigten, widerstandsfähigen Ertragskraft“. Er wurde mit klarer Mehrheit gegen den von kritischen Aktionären nominierten Berliner Friedensforscher Ulrich Albrecht in den Aufsichtsrat gewählt.
Zuvor hatte Reuter jedoch ankündigen müssen, daß nach dem Abbau von rund 70.000 Stellen in der Vergangenheit in diesem Jahr weitere 13.000 Arbeitsplätze im Gesamtkonzern gestrichen werden müssen. Zudem werde das Unternehmen weitere Arbeitsplätze ins Ausland verlagern. Nur so könnten die dramatischen Wechselkursverschiebungen aufgefangen und die Wettbewerbsfähigkeit erhalten werden, sagte der Konzernchef. Schon jetzt sei der Anteil von Zulieferungen aus dem Ausland auf 20 Prozent erhöht worden, langfristig soll er auf mindestens 30 Prozent wachsen.
Reuter erwartet, daß der Jahresüberschuß des Konzerns von 859 Millionen im vergangenen Jahr in diesem Jahr um ein Drittel anwachsen werde. Stärkstes Zugpferd beim Anstieg des Umsatzes in den ersten vier Monaten 1995 war Reuter zufolge die Autoschmiede Mercedes-Benz mit einem Plus von sechs Prozent und einem Umsatz von 22,8 Milliarden Mark. Das Sorgenkind des Konzerns die Rüstungs- und Luftfahrttochter Dasa; ihr Umsatz sank um 14 Prozent auf 2,7 Milliarden Mark. Der künftige Daimler-Chef Schrempp hat angekündigt, daß er den Kurs seines Vorgängers fortführen und die Entwicklung des Unternehmens zu einem „integrierten“ Technologiekonzern weiter vorantreiben will.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen