piwik no script img

RettungspaketTaschenspieler und Piraten

Der Sparplan der Uni Lübeck bezieht die Schwester-Uni Kiel und das UKSH mit ein - das finden die gar nicht witzig. Das Wirtschaftsministerium erteilt eine Absage.

Umstrittenes Konzept: Peter Dominiak, Präsident der Universität Lübeck, zeigt seine Sparplan. Bild: dpa

Die Sache ist blöd gelaufen, und Professor Peter Dominiak, Präsident der Universität Lübeck, weiß das auch: Seit einigen Tagen werden die Zahlen und Rahmendaten des Rettungspaketes für die medizinische Fakultät der Hansestadt bereits öffentlich diskutiert, nur die direkt Betroffenen wussten von nichts und sind entsprechend ungehalten. "Wir hoffen, dass wir die Unstimmigkeiten klären können", sagte Dominiak, der am Dienstag die Pläne offiziell vorstellte.

Diese ruhen auf drei Säulen: An beiden medizinischen Fakultäten im Land, also in Lübeck und an der Christian-Albrecht-Universität (CAU) in Kiel, sollen Studienplätze reduziert werden. Weniger Studierende verursachen geringere Kosten im Universitätsklinikum (UKSH), das infolgedessen weniger Landeszuschüsse erhalten könnte.

Die Universität Lübeck will sich in eine Stiftungsuniversität umwandeln, um wegfallende Landesmittel durch Fördergelder auszugleichen. Rund drei Millionen Euro sollen so pro Jahr hereinkommen, diese Summe sei niedrig gerechnet und auf jeden Fall gesichert, sagte Dominiak. "Unsere Pläne sind fair", erklärte er. Dass Schleswig-Holstein die Medizin-Studienplätze verringern wolle, sei Konsens: "Damit setzen wir die Zielvereinbarung um, die alle Universitätspräsidenten unterschrieben haben." Dominiak wies auch darauf hin, dass Lübeck die größte Sparlast schultern will. Auf keinen Fall ginge es um einen Kampf gegen Kiel, die beiden exzellenten Lern- und Forschungsstandorte sollten erhalten bleiben.

Beraten hatte Dominiak das Konzept, das in seinen Grundzügen einem älteren Gutachten entspricht, bisher weder mit der CAU noch mit dem UKSH. Schuld sei Ministerpräsident Peter Harry Carstensen, so Dominiak: Die Staatskanzlei habe darauf bestanden, das Papier zunächst mit ihr abzustimmen.

Dieses Argument überzeugte weder die Verantwortlichen des Klinikums noch die Schwester-Universität. Professor Jens Scholz, Leiter des UKSH, fühlte eine "gewisse Frustration" über den Alleingang, bevor er das Konzept zerpflückte: Es arbeite mit Taschenspielertricks. "Jeder sucht sich seine Zahlen, so gut er kann - aber man sollte nicht das Geld von anderen verteilen."

Das UKSH fürchtet um seine Betten und sein Personal. Dominiak hatte vorgeschlagen, künftig einen Teil der Ärzte nur für die Krankenversorgung anstatt für Lehre und Behandlung einzustellen. Mit dieser "personenbezogenen Kapazitätsbegrenzung" sei die Bettenzahl zu halten, so die Berechnung der Uni-Leitung. Scholz hält dagegen, dass dieses Modell mehrfach diskutiert und verworfen worden sei.

Giftig reagierte die CAU: Lübeck versuche einen "unberechtigten Eingriff in die Strukturen" mit dem "Ziel der Geldgewinnung durch Reduktion der erfolgreichen Schwesterfakultät". Professor Dr. Gerhard Fouquet, Präsident der Kieler Universität, fasst als echter Küstenbewohner dieses Delikt mit einem Wort zusammen: Was die Lübecker vorhaben, sei "Piraterie".

In der Landespolitik stieß das Konzept auf ein geteiltes Echo. Lob gab es von dem Lübecker FDP-Abgeordneten Gerrit Koch, Daniel Günther (CDU) will das Kozept erst einmal "sorgfältig prüfen". Jürgen Weber von der SPD fand es "ärgerlich", dass Lübeck dabei mitmache, die Standorte gegeneinander auszuspielen. Wirtschaftsminister Jost de Jager (CDU) erklärte, das Konzept sei unzureichend und stelle "keine Basis für eine Lösung dar".

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

7 Kommentare

 / 
  • H
    Hanseat

    Für Lübeck kann es nur heißen: "Los von Kiel!"

  • CB
    Caterina Blue

    Am schönsten ist doch der Absatz über die Piraterie von Herrn Fouquet, insbesondere, wenn man sich den folgenden Artikel aus der LN Online durchliest

    (ich hoffe ich darf den hier posten, der ist einfach zu brisant um unter den Tisch zu fallen)

    http://www.ln-online.de/artikel/2815102

  • JK
    Johannes Knierer

    Liebe TAZ,

    der Vorschlag die Uni Lübeck zu schließen kommt von der Uni Kiel.

    DAs ist Piraterie und Hofverrat. Ich empfehle folgende Links dazu:

     

    http://www.ln-online.de/regional/2815102

     

    http://www.luebeck-kaempft.de/wordpress/?p=3635

     

    Da lässt die Regierung das Präsideum der Uni Lübeck ein alternatives Sparkonzept erarbeiten, man verabredet absolute Vertraulichkeit, informiert aber im Hintergrund direkt das Präsideum der Uni Kiel. Die müssen nur abwarten, bis Lübeck seinen Vorschlag vorstellt und können dann, wie gestern geschehen, zuschlagen und Lübeck bloß stellen.

    In aller Öffentlichkeit wird sich über die Geheimhaltung der Pläne durch die Uni Lübeck, was Vorgabe der Regierung war, beschwert und Lübeck wird ans Messer geliefert. 

    Einfach unglaublich, was in Kiel getrieben wird. Das ist hinterhältig und dreist. Nicht zu fassen, wie man als Universität seine Forschungskollegen und heranwachsende Ärzte so unverantwortlich behandeln kann, wie die Uni Kiel. 

    Das gleicht einer Hinrichtung.

    Seit Wochen wird in Lübeck nach Lösungen gesucht, alle Lösungsvorschläge werden direkt abgeschmettert, das Präsideum der CAU beteiligte sich zu keinem Zeitpunkt an den Vorschlägen. Wozu auch, wenn es mit der Landesregierung einen internen Pakt geschlossen zu haben scheint. 

    Das Präsideun der CAU sollte sich an den eigenen Studenten ein Beispiel nehmen und ihre Lübecker Kollegen und damit ganz Schleswig-Hollstein unterstützen. 

  • I
    In5aGehen50%derHausärzteInSHInDenRuhestand

    Wenn Prof. Fouquet von "Piraterie" spricht und sich die verehrten Herren beschweren, es sei im Vorfeld nicht mit ihnen gesprochen worden, dann sei darauf hingewiesen, dass das Konzept, die Medizinische Fakultät in Lübeck zu schließen aus der Uni Kiel stammt - wohlbemerkt ohne Absprache mit Lübeck.

    Hierzu empfehle ich die Lübecker Nachrichten vom 07.07.10, welche schreiben, dass dieses Konzept der Schließung der Medizinischen Fakultät in Lübeck in entsprechender Form vom ehemaligen Dekan der Medizinischen Fakultät Kiel Prof. Illert in einer geheimen "Strategiesitzung" bereits im Januar 2009 dem jetztigen Wissenschaftsminister Jost de Jager unterbreitet worden sei.

    Wenn es heißt, es handele sich um einen "unberechtigten Eingriff in die Strukturen" mit dem "Ziel der Geldgewinnung durch Reduktion der erfolgreichen Schwesterfakultät", so muss Prof. Fouquet es sich gefallen lassen, den Spiegel vorgehalten zu bekommen.

    Ein Ausspielen der beiden Standorte gegeneinander ist nicht zielführend vor dem Hintergrund eines sich abzeichnenden Ärztemangels gerade in einem Flächenland wie Schleswig-Holstein.

  • HS
    Heiko Steenbock

    Die neuesten Nachrichten lassen die Aussagen von Fouquet und de Jager aber in einem völlig anderen Licht erscheinen. Es ist einfach unfassbar was in Schleswig-Holstein zur Zeit passiert.

    Auf der Seite http://www.luebeck-kaempft.de findet man alle aktuellen Informationen.

  • SP
    Stefan Purr

    Kiel kämpft nicht gegen Lübeck. "Kiel kämpft mit" liest man auf den Demonstrationen und hört man im Gespräch der Allgemeinen Studierendenausschüsse(ASta). Die Studenten halten zusammen. Das Auseinanderdriften nahm schon vor längerem seinen Ursprung in der/n Chefetage(n). Heute veröffentlichten die Lübecker Nachrichten den Inhalt eines ursprünglich "geheimen" Gespräches: "Der Plan der Landesregierung für das Aus der Hochschulmedizin in Lübeck ist demnach nahezu deckungsgleich mit einem Konzept, das der Ex-Dekan der Medizinischen Fakultät der Uni Kiel 2009 ausgearbeitet hat."(LN, 7.7.10)

     

    Taschenspieler, Piraten, Barbarei

    ("eine barbarische Entscheidung" - Günter Grass)

  • DM
    doc martin

    Wenn Herr Prof. (erstaunlich wie tief habilitierte Menschen auch geistig fallen können, hätte ich nicht erwartet, moralisch ist da sicher kein Boden, den hat Herr F. eh bereits mehrfach durchschlagen) von "Piraterie" spricht ist das schon sehr witzig, als was bezeichnet er denn sein höchst unkollegiales, nach reiner Selbsterhaltung trachtendes Verhalten von ihm und seinen Standesgenossen der CAU im laufenden Verfahren der Sparmaßnahme in Schleswig-Holstein. Seine Studierenden sind ihm da doch weit voraus, reden Sie doch mal mit denen, lieber Herr Prof., besser noch sollten sie aber das Land veralssen, damit sie nicht weiter von unseren Steuern finaziert werden müssen, das wäre ne wertvolle Sparmaßnahme..