Rettungspaket für Griechenland: Feilschen um etwa 120 Milliarden Euro
Die EU-Finanzminister treffen sich in Luxemburg, um Hilfen für Griechenland zu beraten. Viele Griechen wollen nicht mehr sparen.
BERLIN taz | Nun soll das griechische Volk entscheiden: Premierminister Giorgos Papandreou kündigte für den Herbst ein Referendum über eine neue Verfassung an. Schon am Dienstag will er die Vertrauensfrage im Parlament stellen. Doch diese Ankündigungen besänftigten die Opposition nicht. Am Wochenende demonstrierten Tausende in Athen.
Sie wehren sich gegen ein neues Sparpaket, das bis 2015 rund 28 Milliarden Euro bringen soll. Zudem ist vorgesehen, griechischen Staatsbesitz zu privatisieren. Die Demonstranten können auf eine breite Unterstützung bauen. In einer Erhebung für die griechische Tageszeitung To Vima lehnten 47,5 Prozent der Befragten das neue Sparpaket ab.
Um auf den wachsenden Unmut in der Bevölkerung zu reagieren, hatte Papandreou am Freitag seine Regierung umgebildet. Wichtigste Rochade: Der bisherige Finanzminister und "Sparkommissar" Giorgos Papakonstantinou wird Umweltminister, während der ehemalige Verteidigungsminister Evangelos Venizelos neuer Finanzminister ist. Dieses veränderte Personaltableau will Papandreou nun mit einer Vertrauensfrage im Parlament absegnen lassen, wo die regierende sozialdemokratische Pasok nur noch eine knappe Mehrheit hat.
Sieger Sarkozy
Der neue Finanzminister Venizelos musste umgehend seine erste Dienstreise antreten: Am Sonntagabend wurde er bei einem Sondertreffen der Euro-Finanzminister in Luxemburg erwartet, die erneut ein zweites Rettungspaket für Griechenland berieten. Das Land benötigt weitere 90 bis 120 Milliarden Euro, obwohl im Mai 2010 bereits Hilfskredite von 110 Milliarden zugesagt wurden.
Im Vorfeld dieses Luxemburger Sondertreffens hatten Frankreich und Deutschland ihren Streit beigelegt, wie private Gläubiger an den Griechenlandhilfen zu beteiligen sind. Als Sieger konnte sich Frankreichs Präsident Sarkozy fühlen. Bei einem Mittagessen in Berlin hatte ihm Kanzlerin Merkel am Freitag zugesichert, dass Banken und Versicherungen "völlig freiwillig" entscheiden können, ob sie Griechenland einen Zahlungsaufschub gewähren, indem sie fällige Staatsanleihen durch neue ersetzen. Merkel versicherte zwar später, dass sie einen "substanziellen Beitrag" seitens der privaten Gläubiger erwarte - faktisch aber distanzierte sie sich von ihrem Finanzminister Schäuble (CDU). Er hatte vorgeschlagen, dass die privaten Gläubiger ihre griechischen Staatsanleihen um sieben Jahre verlängern.
Schäuble wollte damit die Hinterbänkler in der Unionsfraktion beruhigen, bei denen sich der Unmut staut, dass nur die Steuerzahler für die Rettungskredite aufkommen sollen. CDU-Haushaltsexperte Klaus-Dieter Willsch drohte am Wochenende mit einer Abstimmungsniederlage für die Regierung: Bei den Hilfen für Griechenland werde es "schwierig, eine eigene Mehrheit im Parlament zustande zu bringen".
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind