piwik no script img

Rettungspaket für FinanzmärkteUS-Regierung zahlt die Zeche

Nun will die US-Regierung doch im großen Stil die faulen Kredite auffangen. Am Freitag wurde zum Auftakt ein Garantieprogramm über 50 Milliarden Dollar angekündigt. Die Börsen sind im Kaufrausch.

Entspannung an der Börse. Bild: reuters

NEW YORK/FRANKFURT dpa/reuters Mit einem Kursfeuerwerk haben die Börsen am Freitagmorgen auf das Ringen der US-Regierung um ein umfassendes Rettungspaket für die Finanzbranche reagiert. Die Bemühungen nach der dramatischen Zuspitzung der Finanzkrise schürten Hoffnung, aus der Krise herauszukommen.

Der Deutsche Leitindex DAX stieg am Freitagvormittag bis zum Mittag um 4,25 Prozent auf 6113 Punkte. Auch die asiatischen Börsen feierten die Ankündigung des umfassenden Rettungsplan mit Begeisterung. Der US-Leitindex Dow Jones hatte am Donnerstagabend mit einem Plus von 3,9 Prozent bei 11.020 Punkten geschlossen.

Nach der Zuspitzung der Finanzmarktkrise in den vergangenen Tagen arbeitet das US-Finanzministerium zusammen mit der Notenbank an einer weitreichenden Lösung. "Der Rettungsplan wurde an den Börsen positiv aufgenommen, auch wenn die Details noch fehlen", sagte Aktienhändler Oliver Opgen-Rhein von HSBC Trinkaus & Burkhardt. "Es kehrt ein Stück Vertrauen in die Märkte zurück", sagte Analyst Olaf Kayser von der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW).

Die Aktien der Commerzbank stiegen um plus 18 an die DAX-Spitze. Deutsche Bank gewannen knapp 16 Prozent. Die Aktien der Allianz stiegen um fast 14 Prozent.

Dringlichkeitstreffen in der Nacht

US-Regierung und Kongressvertreter arbeiten offenbar mit Hochdruck an ihrem Rettungsplan. Bei einem Dringlichkeitstreffen im Washingtoner Kapitol beriet US-Finanzminister Henry Paulson in der Nacht zum Freitag mit mehr als einem Dutzend Abgeordneten und Senatoren über Auswege aus der Krise.

Es sei um einen Gesamtplan zum Umgang mit den Risiken im Finanzmarkt gegangen, erklärte Paulson anschließend. Der demokratische Abgeordnete Barney Frank sagte, die Regierung wolle das Recht zur Übernahme der derzeitigen Krisenpapiere. Vor allem diese nicht handelbaren Anlagen waren den Banken zum Verhängnis geworden.

Im Gespräch sei ein Gesamtplan für den Finanzmarkt mit Gesetzen für den Umgang mit den Krisenpapieren, sagte Paulson nach der Sitzung vor Journalisten. Paulson nannte jedoch wenig Einzelheiten über das rund 90-minütige Treffen, an dem auch Notenbankchef Ben Bernanke und der Vorsitzende der Börsenaufsicht SEC, Christopher Cox, teilnahmen.

Die Zeit dränge, sagte der Abgeordnete Frank, Vorsitzender des Finanzmarktausschusses des Repräsentantenhauses. Es werde befürchtet, dass die Schaffung einer eigenen Behörde zur Abwicklung der faulen Kredite zu lange dauern könnte. Zuvor war verlautet, Paulson erwäge die Schaffung einer staatlichen Stelle zur Abwicklung fauler Kredite. Vorbild solle die Resolution Trust Corporation sein, die 1989 uneinbringliche Kredite abgewickelt hatte.

Frank sagte weiter, bei dem Treffen habe praktisch vollständig Übereinstimmung geherrscht, dass Gesetzesinitiativen notwendig seien. Bisher wollten die meisten Abgeordneten erst 2009 die Probleme des US-Finanzsystems angehen. Doch die rasante Talfahrt der Börsen und die Lähmung der Kreditmärkte hatte die Rufe nach schnellerem Handeln lauter gemacht

Der Vorsitzende des Bankenausschusses im Senat, Christopher Dodd, sagte, er rechne im Verlauf des Wochenendes oder kurz danach mit Einzelheiten des Regierungsplans. Sein Ausschuss komme am Dienstag zusammen, und die Initiative werde das beherrschende Thema sein.

Am Freitagmittag deutscher Zeit wurden erste Details bekannt. So teilte des Finanzministerium mit, dass der Staat in einem ersten Schritt ein Garantieprogramm für Geldmarktfonds einrichten wird. Dazu sollen bis zu 50 Milliarden Dollar bereitgestellt werden.

Rettungspaket dringend erforderlich

Analysten bezeichneten das US-Rettungspaket als dringend erforderlich. "Die Alternative wäre eine Rezession mit ungeahnten Konsequenzen. Somit erkauft sich der Steuerzahler, zu dessen Lasten es geht, Stabilität", sagte Robert Halver von der Baader Bank. Auch die europäischen Aktienmärkten verzeichneten am späten Vormittag durchweg deutliche Kursgewinne. Der Stoxx50 stieg um 6,7 Prozent. In Tokio stieg der Nikkei um knapp 4 Prozent. In Hongkong ging es gar um fast 10 Prozent nach oben.

Ein Rettungspaket der US-Regierung würde nach Ansicht zahlreicher Analysten die Bilanzen der Banken von Lasten befreien und ihnen einen normalen Geschäftsbetrieb ermöglichen. Die US-Justiz geht unterdessen wegen der Börsenturbulenzen verschärft gegen Spekulanten vor.

Der New Yorker Generalstaatsanwalt Andrew Cuomo kündigte umfassende Ermittlungen zu böswillig gestreuten Gerüchten und illegalen Praktiken bei Börsenwetten auf fallende Kurse an.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

6 Kommentare

 / 
  • ST
    Serkan Tunca

    50 Milliarden? Heute war die Rede von 700 Milliarden für die Banken. Eine verlogene und beschissene Welt ist das.

    Was ist mit den Bürgern die in der Finanz und Imobilienkrise Ihr Geld verloren haben? Die stehen da, mit nix in der Hand.

  • R
    Richtigstellung

    "US-Regierung zahlt die Zeche"?

    US-BürgerInnen zahlen die Zeche.

  • UF
    Ullrich F.J. Mies

    In der Vergangenheit konnte und musste man sich des öfteren fragen, ob Regierungsentscheidungen nicht in erheblichem Maße von Lobbygruppen beeinflusst oder sogar bestimmt wurden.

     

    Heute wissen wir: Die Finanzindustrie und das Rüstungsestablishment sind die us-amerikanische Regierung.

     

    Und da diese Regierung ausschließlich Partikularinteressen zum Nutzen weniger und zum Schaden weiter Bevökerungskreise vertritt, ist sie auch keine legitime Regierung mehr. Sie ist zu einem Regime verkommen. Den unterschiedlichen Bewertungen bleibt es überlassen, dieses Regime zu etikettieren: Antidemokratisch, sozialschädlich, strukturell kriminell, Mafiastaat etc.

  • H
    Hoschi

    Ich finde es ekelhaft und ungerecht, dass wenn die Banken Gewinne machen, sich diese ein paar gierige (gibt es noch andere?) Manager raffen, während, wenn die Bank Verluste macht, der Staat, also die Allgemeinheit durch ihre Steuerzahlungen, die Zeche zahlen muss.

  • N
    Nolo

    Man muss sich entscheiden. Entweder freier Markt bei selbst zu übernehmendem Risiko oder eben nicht. Wenn man Banken vor der Pleite rettet, muss man sie auch zu Sonderabgaben bei besonders hohen Gewinnen zwingen, das wäre Konsequent. Da das nicht geschieht, muss der Staat die Banken jetzt ihrem Schicksal überlassen, denn die Banker wussten, dass sie Glücksspiel betreiben. Es darf nicht sein, dass Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert werden.

  • IN
    Ihr Name martin berger

    Zwei widerstreitende Gefühle zu diesem Thema. Zum Einen die Schadenfreude, daß es dieses asozial-rücksichtslose Wirtschaftssystem endlich - wieder einmal - erwischt hat. Zum Anderen eine gradezu ohnmächtige wut darüber, daß die Täter und profiteure schadlos davonkommen und die Rechnung - plötzlich wie selbstverständlich - vergesellschaftet wird. HOLT DAS GELD BEI DENEN DIE ES IM DOPPELTEN SINNE VERDIENT HABEN

    martin berger