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■ Replikationenn in Weuß - was dagegen ?Lazio St. Pauli stellte hochprozentige Trikots vor, die Siebte ihre neue Gerstensaft-Kollektion

Nichts ist mehr, wie es war. Alles ist neu. Der FC St. Pauli ist seit dieser Woche international – oder genauer: Lazio Rom. Mit der Präsentation der neuen Trikot-Kollektion für die kommende Zweitliga-Spielzeit wehte zugleich ein Hauch von großer weiter Fußballwelt durch das Millerntor-Stadion. Denn Hauptsponsor Puma ist schlau und läßt braun-weiße Kicker ab sofort so aussehen wie die Römer.

Die Farb- und Design-Explosion auf den neuen Leibchen blieb überraschend aus. Kein psychedelisches Gekrakel mit dreieckigen Sternen. Selbst den sonst so beliebten Motiven aus der Welt der Verkehrszeichen wurde widerstanden – die neuen Sporthemden bestechen durch ihre Schlichtheit: In weißen Gewändern zu Hause und in schwarzen auf des Gegners Platz werden die Dressmänner ihr Vereinsemblem in die Schlacht führen. Hinzu kommen hochfunktionelle Plastikknöpfe am Kragen und – das läßt hoffen – schweißabsorbierendes Material (100 Prozent Poly-ester made in Hungary, nicht heißer als 40 Grad waschen, 99,90 Mark, Jack Daniel's nur als Aufdruck).

Die zeitgenössischen Modeschöpfer würden die Jerseys trotz alledem für en vogue erachten. Denn die Design-Idee „Old-School“ wird annähernd ausgereizt. Die Besinnung auf die alten Werte stolpert lediglich bei der Nicht-Berücksichtigung der für den Klub nicht ganz unwesentlichen braunen Kolorierung. Die Traditionsstutzen sind ja schon lange verschwunden, nun aber auch beinahe vollends die wichtigste der zwei Vereinsfarben. Immerhin unter den Achseln und am Kragen des Heimtrikots sowie der Hose – bis auf zwei weiße Streifen an der Seite in echtem braun gehalten – bleiben die Macher geschichtsbewußt. „Replikationen in braun verkaufen sich nicht so gut“, erklärt Wolfgang Fürmeyer von Ausstatter Puma. Für alle Fans gehört somit nicht nur das Trikot auf den Leib, sondern zur Ehrenrettung der Pauli-Farbenlehre auch die Shorts. Dazu die passenden Socken, und das Outfit ist perfekt. Trainer Willi Reimann war so begeistert, daß er auf der Stelle „mindestens zwei“ der Hemden mit nach Hause nehmen wollte.

„Eine gesunde Bräune täte dem Trikot dennoch gut“, sagt Oliver Stubbe, Mitbegründer der 7. Herren des FC St. Pauli und der allererste Käufer der neuen Faser. Seine Mannschaft stellte kürzlich ihre Kollektion für die nächste Saison in den unteren Herrenklassen vor: Braunes Trikot mit kurzen weißen Streifen an den Ärmeln. „Wir wollten ein Leibchen, das zum Viertel St. Pauli paßt“, beschreibt Designer Rainer Klute. Nach der Gründung der Siebten im Sommer 90/91 trugen die Spieler ehrfürchtig noch die alten Trikots der Profi-Mannschaft auf. Daß es sich hierbei um die Kluft aus dem Abstiegsjahr handelte, erfüllt Manndecker Stubbe auch heute noch mit Wehmut: „Wenn ich daran denke, wie Marcus Marin, damals noch bei den Stuttgarter Kickers, jubelnd in die Nordkurve abdrehte, wird mir heute noch ganz schlecht.“ Indirekt war Marin somit der „Gründer“ der Siebten gewesen, denn die Idee, ein Team auf die Beine zu stellen, war geboren. „Wir wollten den Profis den nötigen Unterbau bieten, damit der sofortige Wiederaufstieg in Angriff genommen werden konnte“, erzählt Manager Manni Heinzinger. Daß das Gros der damaligen Spieler mit Vereinsfußball so viel zu tun hatte, wie die Bavaria-Brauerei mit isotonischen Durstlöschern, interessierte nicht im Geringsten. Heute, acht Spielzeiten später, feierte man mit dem Erreichen des dritten Tabellenplatzes den größten Erfolg der Teamhistorie. Die von Astra gesponserten Trikots brachten beim abschließenden Saison-Spiel (5:2 gegen TSG Bergedorf III) den gewünschten Triumph. Oliver Stubbe: „Ich habe nichts dagegen, jedenfalls sind sie schön braun.“

Oliver Lück/Volker Studt

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