: Rente auch für Teilzeitarbeit
■ Bundesarbeitsgericht gibt Klage teilzeitbeschäftigter Frauen gegen Kaufhäuser statt Verweigerung von Rente „mittelbare Diskriminierung“ / Verweis auf EG–Recht
Kassel (dpa) - Der Ausschluß von Teilzeitarbeitnehmern von freiwilligen sozialen Leistungen eines Betriebes kann nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) eine „mittelbare Diskriminierung“ darstellen. Deswegen hat das BAG in Kassel am Dienstag der Klage von mehreren teilzeitbeschäftigten Frauen gegen Kaufhäuser stattgegeben. Die Klage richtete sich dagegen, daß nur solchen Mitarbeitern eine Betriebsrente gewährt wird, die 20 Jahre ununterbrochen, davon 15 Jahre als Vollzeitkraft, für das Unternehmen gearbeitet haben (Aktz.:3 AZR 66/83). Frauen seien wegen ihrer familiären Bindungen und Belastungen häufig nicht in der Lage, 15 oder 20 Jahre lang Vollzeitarbeit zu leisten, erklärte das Gericht. In dem Prozeß, der sich über ein Jahrzehnt hinweg erstreckte und dabei sämtliche Instanzen in der BRD wie auch den Europäischen Gerichtshof beschäftigte, hatten sich die Kaufhäuser bei ihrer Regelung der Sozialleistungen seinerzeit auf ihr Interesse berufen, Verkäuferinnen einen Anreiz zu bieten, auf Vollzeitarbeit umzusteigen. In einem Fall konnten sie aber nach Ansicht des BAG ein „wirkliches Bedürfnis“ dafür nicht belegen. Schon deshalb sei die Ausnahmeregelung für Teilzeitkräfte nichtig und der Klage der betroffenen Frauen stattzugeben. In einem zweiten, ähnlich gelagerten Fall müsse laut BAG das Landesarbeitsgericht Köln auch die Frage prüfen, ob der Ausschluß von der betrieblichen Altersversorgung ein geeignetes und auch erforderliches Mittel ist, um den gewünschten Anreiz zur Vollzeitbeschäftigung zu bieten (Aktz.: 3 AZR 37/84 vom 14. Oktober 86). Die Kasseler Richter verwiesen bei ihrem Urteil auf eine entsprechende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes. Sind Leistungsvoraussetzungen im Arbeitsleben zwar geschlechtsneutral formuliert, können aber von Frauen gar nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten erfüllt werden, dann handelt es sich nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg (vom 31. März 81 - RS 96/80) um eine „mittelbare Diskriminierung“. Das BAG hatte den Europäischen Gerichtshof angerufen, weil es hier um die Gleichbehandlung bei der Entlohnung ging, die dem EG–Recht untersteht.
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