René Hamann Plattenspieler: Irrungen und Wirrungen des Vereinslebens, deren erster Teil
Woran denkt man, wenn man an die Tischtennis-Bundesliga denkt? Erst einmal an kleine Vereine aus entlegenen Käffern, die ihre miefigen Schulsporthallen mit Rolltribünen ausrüsten müssen, wenn es einmal im Jahr zu großen Spielen kommt, und die von lokalen Biermarken oder Bäckereiketten so sehr gesponsert werden, dass sie deren Namen ins Vereinsregister eintragen müssen, wodurch dann Vereinsnamen wie TTC RhönSprudel Fulda-Maberzell (1. Herren-Bundesliga) entstehen.
Doch es gibt auch im Tischtennis das Phänomen der Unterwanderung seitens des Großkapitals. Besser gesagt, das Phänomen der aus größeren Sportarten, vornehmlich dem Fußball, bekannten Namen, die Randsportarten erfassen, aushöhlen und ausbeuten, um weiter Verwertung und Vermarktung der, äh, Muttermarke zu betreiben. Mag sein, dass es dieses Phänomen schon länger gibt, ich als Banause habe es nur noch nicht mitbekommen, weil mich die Tischtennis-Bundesliga nur marginal interessiert. Untere Vereinsebenen ja, da spiele ich schließlich auch. Doch darüber hinaus stellt sich die Frage, warum man Tischtennis-Bundesliga sehen soll, wenn man auch Großturniere mit internationalen Einzelkönnern gucken kann. Das ist etwa so wie beim Tennis – da hat sich auch nie jemand für den TC Blau-Weiß Leimen interessiert. Aber für Boris Becker.
Jedenfalls stieß ich kürzlich auf das Youtubevideo eines Matchs, dessen einer Spieler mit Borussia-Dortmund-Trikot am Tisch stand, während der andere ein Werder-Bremen-Trikot trug. Gut, dachte ich zuerst, kennt man aus’m Park: Da spielen auch mal welche im Messi-Trikot oder im CR7-Portugal-Dress mit. Oder waren das als Fußballfans verkleidete Tischtennisspieler oder am Ende sogar echte Fußballprofis mit Tischtennisschlägern? Nein, die Wirklichkeit war ganz banal: Hier spielte tatsächlich Borussia Dortmund, die Tischtennisabteilung, gegen die vom SV Werder. Sah irgendwie bizarr aus. Immerhin, dachte ich, spielt hier nicht der FC Bayern.
Obwohl, vielleicht reicht es bereits, das hinzuschreiben, und Uli Hoeneß wacht schweißgebadet in seinem King-Size-Bett auf, nachdem er Tags zuvor im Schlosspark ein paar Teenies in Borussia-Dortmund-Trikots an einer Steinplatte hat spielen sehen. Und zack wird Geld investiert und der FC Bayern München löst den TTC Grenzau alsbald als Deutscher Rekordmeister im Tischtennis ab.
Obwohl, der Rekordmeister bei den Herren ist nicht der TTC Grenzau (wo liegt das?), sondern natürlich Borussia Düsseldorf mit sage und schreibe 34 Titeln. Dieses Jahr hat es mal nicht geklappt, wie wir alle inzwischen wissen: Timo Bolls Abschied wurde trotz eines überraschend guten Auftritts seines Düsseldorfer Teamkameraden Dang Qiu durch den TTF Liebherr (!) Ochsenhausen verhagelt. Ochsenhausen (und wo liegt das?) gewann in einer Halle in Frankfurt am Main das Endspiel mit 3:2 und holte sich damit den insgesamt vierten Meistertitel. Einen Rekordmeister FC Bayern (bisherige Titel: 0) wird Uli Hoeneß, so Gott will, nicht mehr erleben. Es sei denn, er schafft es, sich das Erbe des MTV München von 1879 finanziell zu sichern; die wurden in den 1950er Jahren immerhin siebenmal Deutscher Meister bei den Herren. Aber auch dann müsste er nicht nur die dortige Tischtennis-Abteilung übernehmen, sondern immer noch mindestens 27 Jahre warten.
Schaut man auf die Liste der Ex-Meister bei den Herren, findet man den aus dem Fußball bekannten 1. FC (sic!) Saarbrücken, der sich zur nächsten Spielzeit die Dienste des Olympiasiegers und Ex-Weltmeisters Fan Zhendong gesichert hat. 2020 holte man den Titel an die Saar. Auch Werder Bremen wurde schon Deutscher Meister im Tischtennis, 2013 nämlich, und zweimal sogar der VfL Osnabrück, was etwas länger her ist. Titel für Borussia Dortmund: bislang null.
Ein Endspiel Borussia Dortmund gegen Werder Bremen wäre 2026 also möglich. Doch da sei Fan Zhendong vor.
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