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■ Spanien: Ins Guinnessbuch der Rekorde gespültRekordabwasch in Villarriba

„Große Paella in Villarriba und Villabajo“ steht auf dem grünweißen Transparent über den grünweißen Zelten. Zum „typisch spanischen Volksfest mit Tanzmusik und einer berühmten Fernsehansagerin“ haben überall im Norden Madrids grünweiße Plakate geladen. Zweck der Veranstaltung ist nicht etwa das Essen, sondern der große Abwasch danach. Welches Spüli dazu in Villarriba und seit dem letzten kläglich gescheiterten Dorffest auch in Villabajo benutzt wird, weiß jeder. Das aus der grünweißen Flasche, jetzt mit neuer Formel, noch effektiver im Kampf gegen Fett. Heute ist das Produkt angetreten, ins Guinnessbuch der Weltrekorde aufgenommen zu werden. Wie viele Teller schafft ein Liter des spanischen Branchenführers?

Die Gäste verkommen dabei zur Freßmaschine. Tische gibt es nur im abgesperrten VIP- und Pressezelt. Becher und Löffel interessieren beim Rekordversuch nicht. Sie sind aus Plastik und liegen bald zu Tausenden auf dem Boden. Vor den sieben großen Paellapfannen mit je vier Meter Durchmesser bilden sich lange Schlangen. 2.100 Liter Wasser, 1.115 Kilo Reis, 1.550 Kilo Hähnchen, 702 Kilo Gemüse sind nur einige der Zutaten. Angeheizt wird mit 6,5 Tonnen Holz. Chefkoch Antonio Galbis läßt der Spülrekord kalt. Er steht bereits seit 1992 im Guinnessbuch, als Hersteller der größten Paella. Eine Pfanne mit 20 Meter Durchmesser stopfte damals 100.000 hungrige Mäuler.

„Fantastisch“, lobt Hausfrau Matilde (69) das Essen. Sie ist im Bus aus dem Dorf gekommen. „Kostenlose Freizeitaktivität des Rathauses für Rentner“, bemerkt sie zufrieden. Nein, das Produkt benutze sie nicht. „Ich habe eine Allergie“, aber ihre Tochter habe es, und sei sehr zufrieden, fügt sie pflichtbewußt hinzu. „Für mich gibt es kein besseres“, hilft ihr eine Nachbarin aus der Patsche. Und ihr Mann? Für den auch nicht. Er helfe tatsächlich gelegentlich im Haushalt. Heute sicher nicht. Bereits vor einer Stunde sind bei der hochsommerlichen Hitze die antialkoholischen Getränke ausgegangen. Deshalb versucht er den Durst mit Sangria zu löschen, mit zweifelhaftem Erfolg.

Viele stochern schon im dritten oder gar vierten Teller herum. Hauptsache, es gibt Nachschub für die 300 fleißigen Heinzelmännchen, die für sechs Mark die Stunde bei einem Zeitarbeit-Unternehmen angeheuert wurden. 20 Liter Wasser, fünf Milliliter grünes Spüli aus einer Spritze. Der Notar kontrolliert alles peinlich genau. Zwei große Anzeigetafeln in Flaschenform verkünden den Stand der Dinge: „5.000 Teller“, schallt es von der Bühne. Ein vollgefressenes „Hurra“ ist die Antwort.

Dr. Christina Jacob, aus Deutschland angereiste Produktmanagerin, ist begeistert. „Vielleicht könnten wir so etwas Ähnliches auch mal bei uns machen.“ Langes, nein nicht grünweißes, sondern rotes Blümchenkleid, perlfarbene Hornsonnenbrille, sucht sie nett und adrett Schatten im VIP-Zelt. Auch hier klebt der Boden schon vor Paellaresten und verschütteter Sangria. Dr. Jacob stört das nicht. „Vielleicht auf dem Oktoberfest, anstatt blauweiß mal grünweiß“, spinnt sie ihre Idee weiter. Ihr nicht enden wollendes Werbelächeln wird dabei noch breiter. Wieviel Bierseidel schafft ein Liter des Spülis, vielleicht schon mit allerneuster Formel? Paella-Teller waren es am Ende jedenfalls 16.621.

Während Villarriba entzückt darüber völlig im Sangriarausch versank, zog der Autor dieser Zeilen in sein privates Villabajo, wo ihn das dreckige Geschirr vom Vorabend erwartete. Keine Angst, er mußte keine Weltrekorde brechen. Er ist stolzer Besitzer einer Spülmaschine. Reiner Wandler

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