Reisewarnungen fürs Schanzenviertel?: Übernachtungen in Gefahr
Hotel- und Gaststättenverband befürchtet, dass im Gefahrengebiet die Touristen wegbleiben. Grüne, SPD und FDP fordern Bündnis gegen Gewalt.
HAMBURG taz | Der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga fürchtet einen Imageschaden und weniger Besucher. Ein langfristig bestehendes Gefahrengebiet in Teilen von St. Pauli, Altona und dem Schanzenviertel könne auf Touristen abschreckend wirken, sagte Dehoga-Hauptgeschäftsführer Gregor Maihöfer. „Die Polizei muss konsequent einschreiten. Je länger die momentane Situation anhält, desto höher ist das Risiko, dass Gäste wegbleiben.“
Das Mövenpick Hotel im Schanzenpark liegt im Gefahrengebiet und dort spüren sie bisher noch keine Auswirkungen. „Die Gäste erkundigen sich zwar über die Lage in der Stadt, aber im Prinzip gibt es keinen Unterschied zu anderen Veranstaltungen oder Demonstrationen“ , sagte Ute Koch, Marketing-Verantwortliche des Hotels. Es habe keine Stornierungen gegeben.
Besorgter zeigte sich die US-Botschaft in Berlin. Sie warnte Amerikaner, die in Hamburg leben oder hierher reisen vor dem Gefahrengebiet. In einer E-Mail erklärte die diplomatische Vertretung, dass sich die Amerikaner von Demonstrationen fernhalten sollen, da auch friedliche Versammlungen in Gewalt umschlagen könnten. Diese Warnung sei aber nur Routine, man wolle Amerikanern ohne Deutschkenntnisse helfen, die Situation in der Stadt einzuordnen.
Die Zahl der Touristen ist 2013 im Vergleich zum Vorjahr um 5,9 Prozent gestiegen. Im Schnitt blieben die Gäste zwei Tage in der Stadt:
Von Januar bis September 2013 ist die Zahl der Übernachtungen laut Statistikamt Nord um zehn Prozent auf 8,8 Millionen gestiegen.
Aus dem Ausland reisten bis Ende September knapp eine Million Gäste an, die meisten kamen aus Großbritannien, Dänemark und der Schweiz.
Im Gesamtjahr 2013 rechnet Hamburg mit rund 11,5 Millionen Übernachtungen. Die genauen Zahlen liegen noch nicht vor.
Mindestens eine halbe Million Übernachtungen sollen in diesem Jahr noch hinzukommen. Das wäre Rekord, denn dann wären durchschnittlich pro Monat rund eine Million Übernachtungsgäste in Hamburg.
Am Dienstagabend folgten etwa 600 Menschen einem Online-Aufruf zu einem Stadtspaziergang durchs Gefahrengebiet. Die Demonstranten zogen friedlich durch St.Pauli. Im Anschluss bewarf eine zunächst kleine Gruppe, die rasch auf 100 Personen anwuchs, Polizisten in der Nähe des U-Bahnhofs Schlump mit Feuerwerkskörpern. 17 Verdächtige wurden in Gewahrsam genommen. „Wir sind in den nächsten Tagen auf weitere Demonstrationen und Zwischenfälle eingestellt“, sagte Polizei-Pressesprecher Andreas Schöpflin.
Die Grünen fürchten eine Eskalation der Gewalt und rufen die Zivilgesellschaft auf, ein breites Bündnis gegen Gewalt zu schmieden. „Wir brauchen schnell eine Entschärfung der Situation, damit das Thema nicht in den Wahlkampf gerät und sich weiter aufschaukelt“, sagte Jens Kerstan, Vorsitzender der Grünen-Bürgerschaftsfraktion. „Ein erster Schritt zu Entschärfung der aufgeheizten Situation könnte die Aufhebung des Gefahrengebiets sein.“
Zudem kritisierte Kerstan den Eigentümer der Roten Flora Klausmartin Kretschmer und seinen Berater Gert Baer. „Aus reiner Profitgier haben diese den Konflikt angeheizt und wollen bewusst die Polizei ins Feuer schicken, um den Kaufpreis für die Flora nach oben zu treiben.“ Für Kerstan müsse die Lösung aber „Flora bleibt – aber ohne Gewalt“ lauten. Er verlangt von der alleinregierenden SPD auch einen Beitrag „für einen zivilgesellschaftlichen Schulterschluss gegen Gewalt. Sie sollte den Weg für eine politische Diskussion wieder ebnen.“
Die SPD und die FDP unterstützen den Aufruf gegen Gewalt. „Wir können uns streiten, wir können demonstrieren, wir können uns demokratisch auseinandersetzen – aber eine Grenze muss immer gelten“, sagte SPD-Fraktionschef Andreas Dressel. Aber die Grenze zur Gewalt dürfe nicht überschritten werden. Dressel verspricht, dass sich die SPD mit voller Kraft dafür engagieren will, dass ein breites Bürgerbündnis gegen Gewalt zusammenkomme.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Social-Media-Verbot für Jugendliche
Generation Gammelhirn