■ Reisebücher: Szene-Stadtführer
Kaum ein Buchmarktsegment scheint so prompt und eilfertig auf die veränderten Umgangs-, Sprach- und Lebensformen der bundesdeutschen Gesellschaft zu reagieren wie der Reiseführermarkt. Von Baedeker über Polyglott und Dumont bis zu den zahllosen Alternativ- führern („Steinesammeln in der Toscana“, „Berlin von hinten“): all diese Werke sind gelebtes Zeugnis sozialer Befindlichkeiten. Deutschland läuft keinem Führer mehr hinterher, um die Welt zu erobern, es rennt mit tausenderlei Reiseführern durch die Welt. Und jede Generation, jede Gruppe findet den Führer, den sie verdient.
Da hat z. B. der Unterwegs-Verlag (der auf eine nicht ganz durchsichtige Weise mit der Drehtabakfirma Javaanse Jongens verbandelt ist) eine neue Reihe kreiert: die „Szene-Stadtführer mit Plan“, die als die „ultimativen City-Guides“ für Stücker 16,80 auf den Markt geworfen werden. Berlin, London, Prag, Paris, New York, Zürich und Amsterdam sind bereits erschienen.
Da wimmelt es nur so von „Trend-events“ und „angesagtesten Sights“, da tobt der Bär, da ist es wechelweis coolest und heißest, da pulsiert das Leben, geht die Post ab. Also echt jetzt.
Oberoldies mögen bemängeln, daß die Schreiberlinge dieser Szeneschnellschüsse des Deutschen nur noch in Ansätzen mächtig sind, bei Relativsätzen regelmäßig danebentappen, als und wie verwechseln und sich in ihren inhaltlichen Ausführungen nicht gerade als Erfinder des tiefen Tellers outen (Notre Dame: „Wer kennt sie nicht – die bekannteste Kirche der Welt“). Die Zielgruppe, die Damen und Herren mit dem „jungen Geldbeutel“, wird diese aus Werbetexten, Gartenlaube, Hausaufsatz und Rap gesampelte Sprache kaum stören. Und die Tips sind, was billige Unterkünfte, gute Kneipen und Restaurants, Musik usw. angeht, wirklich brauchbar. Fahrradverleih in Amsterdam, Travelcard in London, Cinéma en plein air à la Vilette in Paris, damit kann man schon was anfangen.
Wer also ein paar gute Adressen, ein paar Basisinformationen, vor allem aber einen ziemlich guten Stadtplan von den „trendigsten“ Städten der Welt haben will, der soll die 16 Mark 80 ruhig anlegen. Aber keine Mark mehr. Also jetzt echt nicht. Thomas Pampuch
„Berlin“, „London“, „Prag“, „Paris“, „New York“, „Zürich“, „Amsterdam“ – „SzeneStadtführer mit Stadtplan“. Je 144 Seiten, mit Farbfotos, Unterwegs- Verlag, 16,80 Mark
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