: Regionales Gefälle der Republik immer steiler
■ DIW fordert dringend Erhöhung des Finanzausgleichs / Benachteiligungen bei der Steuerreform
Berlin (taz) - Der Länderfinanzausgleich ist viel zu schwach, um die immer katastrophaleren Unterschiede zwischen den reichen und den armen Staaten der Bundesrepublik auszugleichen. Die ärmeren Regionen sind dabei nicht nur von einer vergleichsweise ständig geringeren Steuereinnahme pro Kopf der Bevölkerung betroffen, sondern gleichzeitig von einer Abwanderung der Steuerzahler selbst, die die strukturschwachen Gebiete verlassen. Andererseits sind die Verpflichtungen auf der Ausgabenseite nicht entsprechend dem Bevölkerungsschwund kürzbar, so daß die Verschuldung der ärmeren Staaten stärker steigt, die Zinsbelastungen ebenso und dadurch für Sachinvestitionen bald nichts mehr drin ist. Dies schreibt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW, Berlin) in seinem jüngsten Wochenbericht und fordert gleichzeitig „auf alle Fälle eine Vergrößerung des Finanzausgleichsvolumens“. Dies auch vor dem Hintergrund, „da die Sozialhilfeleistungen regional sehr unterschiedlich verteilt sind, ohne daß dies von den Ländern und Gemeinden zu verantworten ist“. Weil die Kommunen verfassungsrechtlich keine eigenständige staatliche Ebene, sondern Teile der Länder sind, müssen diese letztenendes für eine ausreichende finanzielle Ausstattung der Gemeinden sorgen.
Dafür werden sie jedoch künftig weniger denn je in der Lage sein, müssen sie doch im Zusammenhang mit der Steuerreform 1990 erhebliche Einnahmeausfälle zu verzeichnen haben, während von den jetzt vollzogenen Anhebungen der indirekten Steuern nur der Bund und nicht die Länder profitieren. Deshalb fordern die Berliner offiziösen Forscher (im Kuratorium des Instituts sitzen u.a. Vertreter der öffentlichen Hand und der Parteien), eine Erhöhung des Länderanteils an der Umsatzsteuer.
Mit über 18.000 Mark je Einwohner liegt Bremen in der Schuldenhitliste an der Spitze, Bayern mit 3.600 Mark erfreut sich der roten Laterne mit fast schwarzen Zahlen. Das DIW stellt sich jedoch gegen schnelle Schuldzuweisungen: „Aus der Tatsache, daß höheres Wirtschaftswachstum mit niedriger Verschuldung und niedrigeres Wachstum mit höherer Verschuldung einhergeht, kann nicht der Schluß gezogen werden, eine kräftige Zunahme der Verschuldung sei Ursache einer schwachen regionalen Entwicklung. Die wirtschaftspolitischen Entscheidungen fallen überwiegend auf Bundesebene“. Und gerade hier gießt das DIW einen Wermuths -Tropfen in die allgemeine Euphorie über das Wachstum, das den strukturschwachen Gebieten nichts gebracht hat: „In den 80er Jahren war die gesamtwirtschaftliche Entwicklung - auch als Folge der Wirtschaftspolitik - zu wenig dynamisch, die Beschäftigungsprobleme konnten nicht gelöst werden.“ Noch nach der Rezession 1974/75 stieg die Erwerbstätigkeit etwa in Nordrhein-Westfalen nur etwas schwächer als in Baden -Württemberg und Bayern. Von der Rezession 1981/82 konnten sich die Krisengebiete dagegen gar nicht mehr erholen. Die Folgen davon, daß immer mehr Arbeitslose keine Unterstützung aus der Arbeitslosenversicherung erhalten, tragen die Kommunen (und damit indirekt auch die Länder). Sie en die Sozialhilfelasten zahlen.
ulk
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