Regierungsbildung in Spanien: Sozialist Sánchez scheitert erneut
Das Bündnis mit den Ciudadanos erhält nicht genügend Stimmen. Die Parteien haben bis Mai Zeit, eine Koalition zu bilden. Sollte das scheitern, werden Neuwahlen fällig.
Das Bündnis wurde außer von Abgeordneten der beiden beteiligten Parteien nur von einer kleinen Regionalpartei der Kanarischen Inseln unterstützt. Die linkspopulistische Partei Podemos hatte bereits zuvor angekündigt, erneut gegen die Koalition zu stimmen. Sánchez war bereits am Mittwoch im Parlament mit dem ersten Versuch gescheitert, sich zum Ministerpräsidenten wählen zu lassen.
Es ist das erste Mal seit Spaniens Rückkehr zur Demokratie 1975, dass ein Kandidat beide Vertrauensabstimmungen verliert. Die Parteien haben noch bis zum 2. Mai Zeit, sich auf eine Regierungskoalition zu einigen. Sollte dies scheitern, werden Neuwahlen fällig. Seit der Parlamentswahl am 20. Dezember wird Spanien von einer Übergangsregierung mit beschränkten Befugnissen unter Ministerpräsident Mariano Rajoy regiert.
Die Wahl im Dezember hatte keine klaren Mehrheiten ergeben. Die konservative Volkspartei (PP) von Rajoy wurde zwar erneut stärkste Kraft, verlor aber ihre absolute Mehrheit. Rajoy gelang es anschließend nicht, die Unterstützung der anderen Parteien zu gewinnen. Seine Amtszeit war gekennzeichnet von einer schleppenden Erholung der Wirtschaft und einer Reihe von Korruptionsaffären.
Keine Koalitionserfahrung
Da Rajoy den Auftrag zur Regierungsbildung zurückgab, beauftragte König Felipe VI. Sánchez als Vorsitzenden der zweitstärksten Partei mit der Bildung einer Koalition. Die Sozialisten gingen aber geschwächt in die Verhandlungen, da sie bei der Wahl das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte erzielten. Nach wochenlangen Verhandlungen gelang es Sánchez schließlich, eine Koalition mit Ciudadanos zu schmieden.
Nach seinem Scheitern in der Vertrauensabstimmung kündigte Sánchez an, weiter für eine Mehrheit zu werben. Der Podemos-Vorsitzende Pablo Iglesias habe mit seiner Weigerung, die Koalition zu unterstützen, „die Millionen von Wählern verraten, die für Wandel gestimmt hatten“, sagte Sánchez. Rajoy sprach dagegen von „Theater“, da klar gewesen sei, dass Sozialisten und Ciudadanos die nötige Mehrheit verfehlen würden.
Der Ministerpräsident äußerte bereits die Erwartung, dass am 26. Juni Neuwahlen angesetzt werden. Der Politikwissenschaftler Anton Losada sagte, Spanien habe keine Erfahrung mit Koalitionen. Das Land wurde in den vergangenen drei Jahrzehnten abwechselnd von den Sozialisten oder der Volkspartei regiert. Rajoy plädiert für eine große Koalition, doch lehnen die Sozialisten dies bislang ab.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Demokratieförderung nach Ende der Ampel
Die Lage ist dramatisch