Regenerative Energien: Norwegen baut Osmose-Kraftwerk
Der unterschiedliche Salzgehalt von Fluss- und Meerwasser kann genutzt werden, um Strom zu erzeugen. Die Pilotanlage soll nächstes Jahr fertig sein.

Das Prinzip kennt man aus dem Chemieunterricht. Füllt man Salz- und Süßwasser in zwei Behälter, die durch eine halb durchlässige Membran - beispielsweise eine Schweinsblase - getrennt sind, gibt das Süßwasser als die weniger konzentrierte Lösung keine Ruhe, bis es durch die Membran gepresst wird und das stärker konzentrierte Salzwasser verdünnt hat. Der Prozess endet erst, wenn beide Behälter die gleiche Konzentration aufweisen. Dieser Effekt heißt Osmose. Den hierbei entstehenden osmotischen Druck - der beispielsweise auch die Haut salziger Bockwürstchen durch das hineindrückende heiße (Süß-)Wasser platzen lässt - will man in Norwegen jetzt zur Elektrizitätsgewinnung nutzen.
An Flussmündungen sollen Kraftwerke entstehen, in denen das Süßwasser des Flusses in ein Rohrsystem geleitet wird. Die Röhren sind so aufgebaut, dass das Flusswasser, abgetrennt durch eine Membran, auf salzhaltiges Wasser aus dem Meer trifft. Das Süßwasser wird aufgrund der Osmose durch die Membran hindurch zum Salzwasser hinübergezogen. Durch das auf die Salzwasserseite hineindrängende Süßwasser entsteht ein Überdruck, der zum Betrieb einer Turbine genutzt werden soll.
Theoretisch wurde das Prinzip eines solchen Salzkraftwerks bereits in den Siebzigerjahren von dem israelischen Forscher Sidney Loeb entwickelt. Eine Realisierung war aber bislang an der Entwicklung einer geeigneten Membran gescheitert. Sie sollte für Süßwasser leicht durchlässig sein, aber auch dem bei der Osmose entstehenden hohen Wasserdruck standhalten: Die "Knackwurst" soll zwar kräftig anschwellen, darf aber nicht platzen.
Membranen für die "umgekehrte" Osmose, bei der durch die Entziehung des Salzes aus Salzwasser Trinkwasser gewonnen wird, sind zwar weltweit in Entsalzungsanlagen im Einsatz, erwiesen sich aber als ungeeignet, berichtet Rune Øyan, Projektleiter des staatlichen Energieunternehmens Statkraft.
Passende Membranen habe man in Zusammenarbeit mit mehreren Firmen erst entwickeln müssen. Nach zehn Jahren und mehreren Millionen Euro Entwicklungskosten, an denen sich seit fünf Jahren auch die EU beteiligt, steigerte man die Leistung eines Quadratmeters Membranfläche von ursprünglich 0,1 auf mittlerweile über 4 Watt.
Im nächsten Sommer soll nun der Bau einer Pilotanlage beginnen, wo man die Technik erstmals im Rahmen einer kompletten Versuchsanlage testen will. Geht alles nach Plan, hofft Statkraft 2015 das erste kommerzielle Salzkraftwerk in Betrieb nehmen zu können. Bei den Produktionskosten für den Strom soll die Anlage mit anderen erneuerbaren Energiequellen wie beispielsweise Windkraft konkurrieren können.
Ein Salzkraftwerk wäre nicht nur CO2-frei. Auch der übrige Natureingriff wäre im Vergleich zu anderen erneuerbaren Energiequellen relativ gering. Auf einer Fläche von der Größe eines Fußballplatzes kann laut Statkraft eine Anlage mit einer Leistung von 25 Megawatt errichtet werden. An geologisch geeigneten Stellen könne man diese auch gänzlich unterirdisch bauen.
Geeignet seien im Prinzip alle Flussmündungen, so Statkraft. Für Norwegen bestehe theoretisch die Möglichkeit, rund 20 Prozent des jetzigen Stromverbrauchs mit Salzkraft zu gewinnen. 10 Prozent hält man auch praktisch für realistisch. Und für ganz Europa hat Statkraft eine mögliche Energieproduktion durch Salzkraft von 200 Terawatt im Jahr errechnet.
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