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Regenerative EnergienWindkraft-Weltmeister USA

Die USA haben Deutschland als Weltmeister in der Produktion von Windkraft überholt. Dementsprechend feierte die Messe Windpower in Chicago Rekordbesucherzahlen.

Ein frischer Wind weht auf der Messe. Bild: ap

CHICAGO taz | Seitdem aus Washington mit US-Präsident Barack Obama ein anderer Wind weht, ist die Windkraft zusammen mit Solar- und anderen erneuerbaren Energien der Renner in den USA. „21.000 Besucher, das ist absoluter Rekord,“ freute sich Denise Bode, Vorsitzende von AWEA, des US-Windenergieverbands am Mittwoch über die neue Spitzenmarke. Der Verband hatte in dieser Woche zur Messe Windpower 2009 nach Chicago eingeladen – und über 1000 Aussteller aus 47 Ländern, allen voran aus Deutschland, Dänemark, und China kamen. Denn das die USA das „Saudi Arabien des Windes“ sind, an dieser Erwartung kann auch die landesweite Rezession nicht rütteln.

Die Zahlen sprechen für sich: Ende 2008 überholten die USA mit neu installierten 8,358 MW erstmalig Deutschland als den Weltmeister in Windenergie und stellt nun 22 Prozent der Weltwindenergiekapazitäten, vor Deutschland mit 20 Prozent. Die im vergangenen Jahr komplettierten US-Windprojekte machen allein insgesamt 42 Prozent der neuen Energie-Kapazitäten des Landes aus. Allein im vierten Quartal brachte die US-Industrie, darunter die beiden Hauptlieferanten General Electric GE und die dänische Vestas, 4,112 MW ans Netz – das war mehr als in jedem Gesamtjahr vor 2007.

Die neuen Windenergiekapazitäten kompensieren rund 44 Millionen Tonnen CO2-Emissionen, was einer Eliminierung von rund sieben Millionen US-Autos entspricht. – Gut so, denn das rasante Wachstum startet von einem sträflich niedrigen Niveau, vernachlässigt von einer ignoranten Klientelpolitik, die bislang ausschließlich die Interessen der Kohleindustrie vertrat.

„Wir haben hier in Amerika zur Zeit eine sehr günstige Kombination von staatlichen Anreizen,“ erklärt Ralf Sigrist, Chef der pünktlich zur Messe eröffneten US-Filiale des Windkraftwerkherstellers Nordex aus Rostock. Mit einem durch Obama geförderten Mix aus Konjunkturanreizen, Steuersparmodellen und baren Investitionshilfen „fördert die US-Regierung den Energiesektor sehr breit.“ Bis zu knapp 50 Prozent kann ein Wind-Investor sich auf diese Weise aus der Staatskasse finanzieren lassen. Nordex plant rund 100 Millionen US-Dollar in den neuen Standort USA zu investieren, trotz Krise, gedämpfter Erwartungen für 2009 und manch politischer Unwägbarkeiten.

Die rangieren aus den gerade im Kongreß verhandelten Vorlagen für ein Klimagesetz sowie dem Tauziehen um ein Emissionshandelsgesetz und ein Transportgesetz, alles bedeutende Reformprojekte, die die USA auf die Schienen zum 21. Jahrhundert hiefen sollen – die aber bereits heftigen Widerstand verschiedener Interessengruppen hervorrufen. Hinzu kommt ein hoffnungslos veraltetes, nicht integriertes sondern in drei regionale Netze fragmentiertes Stromnetz, das der machtlosen US-Bundesregierung noch erhebliche Kopfschmerzen bereiten wird. Allein in Texas können gegenwärtig 300 GW „sauberer“ Energie aus Wind nicht eingespeist werden, weil es Staus im veralteten Stromnetz gibt.

Und weil Energiewirtschaft immer auch Politik bedeutet, trugen die zur Windmesse nach Chicago gereisten Gouverneure, Minister und Besucher daher auch alle einen blaugrünen Sticker am Revers: „RES Yes“ stand darauf, was soviel heißt wie „Nationale Standards für Erneuerbare Energien Jetzt!“. Denn bislang haben nur 26 US-Bundesstaaten einen künftig verpflichtenden Energiemix festgelegt, darunter zumeist so um die 15 bis 20 Prozent Erneuerbare. AWEA will seinen überwältigenden Messeerfolg nun für Druck in Washington nutzen. „Wir brauchen dringend einen verpflichtenden landesweiten Portfoliostandard,“ sagte Denise Bode wiederholt. Nur so könne die Investitionsintensive Windindustrie Planungssicherheit erhalten.

„Wir sind nicht zu vertrauensvoll,“ erklärte auch Andreas Nauen, Chef der Wind-Projekte beim Siemens-Konzern, „die USA sind schlicht einer der größten Windmärkte der Zukunft“. Auch Nauen konnte in Chicago eine Neuinvestition feiern: Noch in diesem Jahr wollen die Münchner mit dem Bau einer Fabrik für Windkraft-Gondeln in Kansas beginnen „Windkraft ist in den USA unumgänglich, auch wenn wir für die nahe Zukunft unsere Wachstumspläne etwas nach unten korrigiert haben.“

In den USA selbst sind vor allem die strukturschwachen US-Bundesstaaten des Mittleren Westens brennend an Windenergie interessiert. So ist es kein Wunder, dass hier stark nachgezogen wurde: So überholte 2008 mit Iowa erstmals ein Midwest-Staat aus dem “Windkorridor” der USA, den Musterstaat Kalifornien bei der Installation neuer Windenergiekapazitäten. Führend im US-Windenergieoutput sind nun Texas (7,116 MW), gefolgt von Iowa mit insgesamt 2,79 MW, Kalifornien mit 2,517 MW, Minnesota mit 1,752 MW und Washington mit 1,375 MW. Gegenwärtig befinden sich US-weit noch Projekte mit einer potenziellen Leistung von 4,451 MW im Bau.

Für Gouverneure und Bürgermeister des Mittlerern Westens, das machte auf der Messe Gouverneur Jim Douglas aus Wisconsin stellvertretend für seine Amtskollegen deutlich, ist die Windenergie in erster Linie ein Jobmotor. Just dort wo es heftig weht, haben sich in den letzten Jahrzehnten viele Firmen verabschiedet und Landwirte ihre Felder verlassen. Nun hoffen Lokal- und Regionalpolitiker mit Wind und Solar neue Gründe zum Bleiben zu schaffen. Für die Rezessionsgeplagten Pleite-Kommunen eröffnen sich mit den Erneuerbaren zudem die Möglichkeit, lokal Energie zu produzieren und damit auch lokal zu verdienen.

T. Boone Pickens, der bekannt-skurile texanische Öltycoon und Multimilliardär, der größte private Betreiber von Windkraftparks in den USA, kam natürlich auch nach Chicago. Für ihn ist die Ressource Wind gar das Mittel der Wahl, um sich „vom aus Feindesland importierten Öl zu befreien“. Macht nichts, dass in den USA kein Tropfen Öl in die Stromproduktion fließt. Was Pickens sagt, kommt immer gut an. Und eigentlich war es auch egal, aus welchem Blickwinkel das neue Eldorado auch betrachtet wurde: Es war stets glanzvoll und zukunftsträchtig.

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7 Kommentare

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  • BH
    Bernhard H. Johannes Wagner

    @ Torero: Sehe ich ähnlich, ´bin z. B. auch dagegen, Solaranlagen auf Felder oder in Wälder zu stellen (wie das im Saarland, in Sachsen, in Bayern und anderen Bundesländern die CDU/CSU und Freie Wählergemeinschaft durchgesetzt haben (oft gegen Widerstand der Bündnisgrünen). Solaranlagen gehören v.a. auf Dächer, inklusive Überdachungen von Parkplätzen, sowie ggf. auch an Balkone (schräg gestellt), allg, also über bereits versiegelte Flächen (oder in Wüsten). Erst recht in Spanien wäre das effektiv, wo sogar für´s dunklere Mitteleuropa folgendes gilt:

     

    "(...) In Deutschland sind ca. 20% der vorhandenen

    Dachflächen für die solare Energienutzung geeignet.

    Diese können deutschlandweit ca. 100% des privaten

    Strombedarfs decken. Dies entspricht mehr als dem

    100-fachen der heutigen Nutzung. (...)

    Prof. Dr. Martina Klärle

    Leiterin des Forschungsprojektes SUN-AREA (...)" -

    so zu lesen auf Seite 3 der folgenden Broschüre:

    http://www.al.fh-osnabrueck.de/uploads/media/Broschuere_SunArea.pdf

     

    Darüber hinaus bietet auch die Geothermie noch riesige Chancen, übrigens bei oberflächennahen Sonden auch für die Kühlung(!) von Gebäuden, was in Spanien im Sommer besonders interessant ist. Auch Strom kann übrigens (für alle, die es noch nicht wissen) geothermisch erzeugt werden, und zwar auch dort, wo es keine unterirdischen Heißwasserquellen gibt, nämlich durch das Hot-Dry-Rock Verfahren. Mehr zur Geothermie unter: http://www.geothermie.de

     

    Erwähnt werden sollte außerdem die offshore Wellenkraft, vgl. z. B:

    http://www.sri.com/news/releases/120808.html und

    http://www.wavedragon.net

     

    @ alle, die immer über die Subventionen für EE jammern: Für´s Allgemeinwohl gute Dinge sind es wert, gefördert zu werden. Den "freien Markt" gibt es übrigens sowieso nicht! Galbraith lesen!

     

    Und eine Energierevolution ist förderungswürdiger, als fossile Verbrennungskraftwerke und Uranspaltungsreaktoren mit ihrem Müll, für den die AKW Betreiber nach aktuellem Gesetzesstand nur einige lächerliche Jahrzehnte haften, für die restlichen ca. 1 Mio Jahre dann die "Allgemeinheit." 1 Mio Jahre unkalkulierbare Subventionen für die Atomenergie sind das!

  • T
    Torero

    Zu Thiotrix:

    "Wenn Deutschland jahrelang Windkraft-Weltmeister war, ist das lediglich die Folge einer aberwitzigen Subventionspolitik, die den überteuerten und ökologisch unsinnigen Windstrom in die Netze drückt!"

    Wie vorher die Subventionspolitik von Kohle-, und gegenwärtig Kernenergie oder auch Photovoltaik.

    Die Kosten zur Stromerzeugung sind noch nie real gewesen.

     

    "Der Preis dafür ist eine flächendeckende Verschandelung von Küsten und Mittelgebirgen durch über 20.000 Windkraft-Monster."

    Oder ein Riesenloch beim Braunkohletagebau, verbaute Landstriche von Photovoltaik-Anlagen (z.B. in Spanien),

    und Lagerstätten mit verseuchtem radioaktivem Müll.

     

    Besser als Energieproduktion ist Energieeinsparung, wie Du auch sagst.

  • QD
    Quigley down under

    I aggree with the first both comments. Especially refering to the first one: For to overtake Germany, the US would have to generate about 27 times as much windpower as Germany. To be fair, let us say ... minus the high (glacier) mountains' regions of both countries (because there it is very hard to install windmills). But this would be also more than 20 times as much as Germany generates.

  • T
    thiotrix

    Kernkraft-Weltmeister USA!

     

    In den Vereinigten Staaten laufen z. Z. 104 Kernkraftwerke mit zusammen fast 100.000 MW Leistung. Für die Hälfte dieser Anlagen ist eine Laufzeitverlängerung auf 60 Jahre bereits bewilligt; für die meisten der restlichen Anlagen wird die Laufzeit sicher auch noch verlängert. Ebenso wird in absehbarer Zeit der Neubau von Kernkraftwerken in Angriff genommen. Verglichen damit ist die installierte Windkraft-Leistung von 8.358 MW vergleichsweise bescheiden. Dadurch kann kein einziges Kern- oder Kohlekraftwerk vom Netz genommen werden, weil für Zeiten der Windstille (die soll es auch in den USA geben) entsprechende Reservekapazitäten vorgehalten werden müssen.

    Bevor die Leistungen der USA beim Ausbau der Windkraft gelobt werden, sollte erst einmal die unglaubliche Energieverschwendung in diesem Land angeprangert werden. Der Energieverbrauch pro Kopf und damit auch der CO2-Ausstoß ist fast doppelt so hoch wie in Deutschland: 19 t CO2 pro US-Bürger und Jahr gegenüber 10 t in Deutschland. Und während in den letzten Jahrzehnten der pro-Kopf- Energieverbrauch in Deutschland gesunken ist (von 1980 bis 2000 um ca. 10 %), ist er in den USA angestiegen (um 7 %). Der Stromverbrauch ist in den USA sogar besonders stark angestiegen -von 1990 bis 2002 um 26%, während in Deutschland eine Abnahme erfolgt ist (um 4 % im gleichen Zeitraum).

    Die USA sollen erst einmal das deutsche Niveau der Energieeffizienz erreichen – da gäbe es viel zu tun!

    PS. Wenn Deutschland jahrelang Windkraft-Weltmeister war, ist das lediglich die Folge einer aberwitzigen Subventionspolitik, die den überteuerten und ökologisch unsinnigen Windstrom in die Netze drückt! Der Preis dafür ist eine flächendeckende Verschandelung von Küsten und Mittelgebirgen durch über 20.000 Windkraft-Monster.

  • DP
    Der Physiker

    Auch auf die Gefahr hin, als Klugscheißer dazustehen: Wie die taz hier mit physikalischen Einheiten umgeht, ist schon traurig.

    Das Komma ist im deutschen Sprachraum immer noch Dezimal- und nicht Tausenderseparator. Nach ihrer Schreibweise wären in den USA etwa 8 MW neu installiert worden, damit wird man nicht Weltmeister.

    Und wo da 300 GEW = 300.000 MW sauberer Energie in Texas herkommen sollen, weiß ich so oder so nicht.

    Bitte nochmal überprüfen!

  • NJ
    navajo joe

    p.s.: Mein Adjektiv "dumm" bitte nicht(!) auf die Autorin des Artikels persönlich beziehen, sondern - wie gesagt - nur auf den genannten Vergleich.

  • NJ
    navajo joe

    "Die USA haben Deutschland als Weltmeister in der Produktion von Windkraft überholt."

     

    Entschuldigung, liebe taz. Diese Vergleiche sind einfach dumm. Müsst Ihr das von den anderen dummen Medien nachmachen?

     

    Die Fläche der USA beträgt (an Land) offiziell mehr als 9.631.400 km², die der BRD ca. 357.000 km². Hinzu kommt, dass die USA allein auf ihrem Gebiet der Big Lakes im Jahr mehr Wind bis zu 100 m Höhe hat, als z. B. alle deutschen Binnenseen zusammen, selbst wenn der Bodensee komplett deutsch wäre. Dazu kommen die Winde in Gebirgen und schließlich offshore (auch die Küstenlänge der USA ist ein Vielfaches von dem der BRD) u. s. w.

     

    Es ist also eher verwunderlich, wenn die USA trotz dieser im Vergleich viel größeren Potenziale nicht um ebenso viel mehr Windpower erzeugt.

     

    Ähnliches gilt übrigens für die Solarenergie, zumal die USA mit ihrer geographischen Lage hier mit Mittelmeerländern vergleichbar ist (weshalb z. B. solarthermische Turm- oder Parabolrinnen-Kraftwerke allein auf einem kleinen Bruchteil der Wüstenflächen der USA theoretisch den gesamten dortigen Energiebedarf erzeugen könnten - was als viel zu zentralistisches Konzept freilich in der Praxis nicht wünschenswert ist). Und mit Aufdachsolaranlagen könnten die USA auf weniger als 25% der Dachflächen den Strom alller Privathaushalte erzeugen (erst recht, wenn sie ein bisschen sparsamer werden und da zumindest auf heutiges europäisches Verbrauchs-Niveau kommen).