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Refugium Zwei neue Stipendiatinnen

Reporter ohne Grenzen und die taz Panter Stiftung wählen jährlich zwei Stipendiat:innen für eine Auszeit aus. Dieses Mal eine Mexikanerin und eine Serbin.

Vania Pigeonutt Foto: Anja Weber

taz Panter Stiftung, 10.06.22

Vania Pigeonutt

Vania Pigeonutt ist Journalistin und kommt aus Guerrero, ein Bundesstaat im Süden Mexikos mit der höchsten Armutsrate des Landes. In ihrer Arbeit hat sie sich auf kriminelle Dynamik spezialisiert und arbeitet zu Themen wie Femizid, Flucht und Migration und struktureller Armut vor allem bei Kindern und in der Region, aus der sie kommt.

Mit anderen Kolleg:innen hat sie das Portal mataranadie.com mitbegründet zum Gedenken an ermordete und verschwundene Journalist:innen. In Guerrero hat Vania Pigeonutt mit Kolleg:innen für das Webportal Amapola gearbeitet, das regionale Themen wie Gewaltverbrechen oder Drogenhandel mit einem neuen oder anderen Blickwinkel aufarbeitet.

2015 und 2021 gewann sie den Walter-Reuter-Preis für deutsche Publizistik für zwei Texte zum Thema Drogenpolitik und Gewalt gegen Frauen. Im selben Jahr war sie Stipendiatin der Globalen Initiative gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität. In dieser Zeit hat sie Verbrechen in Städten wie Acapulco, Chilpancingo und Ciudad Altamirano in Guerrero analysiert und untersucht. Nach 12 Jahre, in denen sie als Journalistin arbeitet, ist Vania Pigeonutt der Meinung, dass Journalismus kollaborativ sein und als Katalysator für sozialen Wandel dienen sollte.

Das Stipendium nutzt Vania Pigeonutt, um die Situation in ihrem Herkunftsland mit Abstand betrachten zu können. Eine Auszeit sei für sie sinnvoll, um über ihre nächsten journalistischen Schritte nachzudenken. In Vania Pigeonutts Worten: “Weiterzumachen, aber von Orten aus, an denen ich auch eine andere geistige Ordnung, eine andere Ruhe und einen Raum gefunden habe, um gestärkt zurückzukehren. Indem ich mich um alle meine Räume in einer ganzheitlichen Weise kümmere”. Eine Auszeit nicht nur vom physischen Risiko, das es bedeutet an einem Ort wie Guerrero zu arbeiten, sondern auch das emotionale Risiko, ein Leben lang mit diesen Geschichten konfrontiert zu sein. Ihr Gehirn, sagt Vania Pigeonutt, brauche einfach eine Pause.

Die freie Zeit nutze sie, um Dateien auf ihrem Computer zu sortieren, die Texte zu lesen, die sie geschrieben hat und darüber nachzudenken, welchen Sinn sie zusammen haben könnten. In Berlin erlaube sie es sich, sich auszuruhen und von den Verpflichtungen, die in Mexiko an ihr zerrten, zu lösen. Sie ist neugierig, die Stadt kennenzulernen, die Menschen, die Straßen. Über ihre Zeit führt sie ein Reisetagebuch. Zurückkommen will sie nach Mexiko mit einem neuen Gefühl der Ruhe und Klarheit. Aber erst einmal will sich Vania Pigeonutt um sich selbst kümmern.

Dragana Pećo

Dragana Pećo (*1986) ist Investigativ-Journalistin und kommt aus Belgrad. Zuletzt hat sie beim serbischen Online-Medienunternehmen KRIK gearbeitet. Als Mitarbeiterin beim globalen Journalistennetzwerk OCCRP hilft sie anderen Kolleg:innen, Unternehmer, Unternehmen und Vermögenswerten auf der ganzen Welt zu durchleuchten. Dragana Pećo bildet andere Journalisten auch darin aus, Geldströmen zu folgen.

Sie hat an großen internationalen Journalismusprojekten gearbeitet, darunter die jüngsten "Suisse Secrets" und "Pandora Papers". Für ihre Arbeit hat sie mehr als ein Dutzend nationaler und internationaler Journalistenpreise bekommen. Sie hat einige der größten Korruptionsfälle ihres Heimatlandes aufgedeckt.

Für ihre Arbeit erntete sie aber nicht nur Zuspruch. 2017 wurde in ihre Wohnung eingebrochen. Per Social Media bekam sie Todesdrohungen und war das Ziel einer Verleumdungskampagne einer regierungsfreundlichen Boulevardzeitung. Mehrere Akteure, die sie in ihrer Berichterstattung kritisierte, versuchen sie zu verklagen. Aktuell läuft ein Verfahren eines ehemaligen Beamten und einflussreichen Geschäftsmanns gegen sie. Dragana Pećo könnte eine Gefängnisstrafe drohen.

Sie sagt, das Stipendium helfe ihr in dieser unsicheren Zeit eine Pause einzulegen. Anders als in Belgrad, fühle sie sich hier sicher, wenn sie auf die Straße gehe. Nur in einem Café sitzen, könnte in Serbien die Gefahr bergen, dass sie jemand überwache. So sei es bei einigen Kolleg:innen der Fall gewesen.

Seit sie nicht mehr in Serbien ist, sei sie viel entspannter. Endlich habe sie eine Pause davon, ständig die Medienberichte zu verfolgen und sich zu Korruptionsfällen zu äußern. In Deutschland genießt Dragana Pećo es sich weiterzuentwickeln. Aktuell macht sie einen Deutschkurs. Während ihrer Zeit in Berlin trifft sie sich mit Journalist:innen und besucht Redaktionen, um sich auszutauschen. Berlin sei eine ihrer Lieblingsstädte. Manchmal genieße sie auch einfach die langen Spaziergänge durch die grünen Straßen. Daran sei im luftverschmutzten Belgrad nicht zu denken. Sie freut sich auf den Frühling und Sommer und darauf, die Stadt bald mit dem Fahrrad zu erkunden.