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taz panter stiftung

Refugium Stipendium 2025 „Ich saß 30 Tage im Gefängnis“

Aus Belarus, Venezuela und Mexiko kommen die verfolgten Journalist:innen, die mit dem Refugium-Stipendium in Berlin Schutz, Erholung und Vernetzung suchen

Die belarussische Journalistin Glafira Zhuk verbringt sechs Monate in Berlin. Foto: Foto: Kyaw Soe

taz: Sie sind eine sehr junge Journalistin, und trotzdem sind Sie in die Fänge der belarussischen Behörden geraten. Was ist passiert?

Glafira Zhuk: Mein Weg als Journalistin begann 2020. Ich war Studentin an der staatlichen Journalismus-Fakultät – mit einem staatlichen Stipendium. Dann begannen die Anti-Regierungs-Proteste, und ich überlegte, wie ich der Bewegung helfen könnte. Ich schrieb einen winzigen Artikel für die Zeitung Narodnaya Volya („Volkswille“). Ich hatte nie gedacht, dass die ihn veröffentlichen würden, doch sie wollten mehr.

taz: Und was passierte dann?

Zhuk: Ich geriet in der Uni ins Blickfeld von Dozenten, es gab Krach, und ich fing mir einen Tadel ein. Dann haben sie Studenten wegen ihrer Proteste vor Gericht gestellt, ich ging dahin, alle standen vor dem Gebäude herum, in den Gerichtssaal kam man nicht. Zwei Wochen später haben sie mich festgenommen, es waren drei Männer, ich saß gerade beim Friseur, es war gegen 16 Uhr. Ich saß 30 Tage im Okrestina-Gefängnis…

Zeit zum Durchatmen

Seit 2015 vergibt die taz Panter Stiftung in Koope­ration mit der NGO Reporter ohne Grenzen jedes Jahr zwei Refugium-Stipendien an gefährdete Journalistinnen aus Krisenregionen. Im Programm 2025 verbringt eine Journalistin aus Belarus sechs Monate in Berlin, während sich die Journalist:innen aus Venezuela und Mexiko das sechsmonatige Stipendium mit jeweils drei Monaten aufteilen.

Die gefährdeten Journalist:innen nehmen sich eine Auszeit und erholen sich – ganz ohne Gegen­leistung.

Spenden Sie jetzt!

Das Refugium-Programm wird allein durch Spenden finanziert (taz.de/spenden) – pro Stipendium benötigt die taz Panter Stiftung rund 25.000 Euro.

Haben Sie eine Wohnung?

Die Refugium-Stipendiat*innen leben in Wohnungen in Berlin, die Spender*innen zur Verfügung stellen. Kontaktieren Sie uns gerne, falls Sie die taz Panter Stiftung auf diese Art und Weise unterstützen möchten: stiftung@taz.de (030) 25902-213

taz: … das wegen der brutalen Behandlung der Gefangenen verrufen ist …

Zhuk: Ich kam in eine Zweierzelle, in der 16 Frauen eingesperrt waren. Wir haben auf dem Boden geschlafen, immer abwechselnd. Sie haben mich nicht geschlagen, aber die Bedingungen waren Folter. Das Licht brannte Tag und Nacht.

taz: Zum Ende der 30 Tage Haft …

Zhuk: … saß ich drei Tage im Karzer, es war bitterkalt. Zudem fing ich mir Covid ein, ich bekam eine Tablette Paracetamol am Tag. Mein Vater hatte mir Sachen gebracht, die wurden mir allerdings nicht ausgehändigt.

taz: Nach der Freilassung …

Zhuk: …musste ich überlegen: Weitermachen mit dem Risiko, wieder im Gefängnis zu landen, oder das Land verlassen. Die Uni hat mich rausgeworfen. Zunächst wurde ich einen Monat nach Bremen eingeladen, dann zog ich nach Kyjiw. Da war das Leben billiger. Ich blieb dort vier Monate, dann begann der Krieg. Ich zog nach Litauen.

taz: Wie halten Sie sich da über Wasser?

Zhuk: Ich arbeitete für Radio Free Europe für den belarussischen Service und Radio Liberty. Geld gab es nicht viel, ich musste mich entscheiden: Miete bezahlen oder essen.

taz: Was erhoffen Sie sich von dem Auszeitprogramm in Berlin?

Zhuk: Ich möchte mich einfach nur erholen. Außerdem will ich mein Englisch verbessern, denn ich würde gerne mein Studium in Großbritannien be­enden. Derweil schaue ich mir Berliner Museen an, ich spreche einmal in der Woche mit einem Psychologen und ich habe einen Englisch-Nachhilfelehrer.

taz: Werden Sie weiter als Journalistin arbeiten?

Zhuk: Ja, wenn es die Situation zulässt, denn die Finanzierung unabhängiger belarussischer Medien ist sehr schwierig, wir verlieren unsere Arbeitsplätze.

Ronna Rísquez wurde für ihr Medienportal Connectas mit dem König-von-Spanien-Preis ausgezeichnet. Foto: Foto: Agencia EFE

„Journalismus ist wie ein Seiltanz“

taz: Warum haben Sie sich für das Auszeitprogramm beworben?

Ronna Rísquez: Ich arbeite seit 25 Jahren in einem Land, Venezuela, in dem Jour­na­lis­t*in­nen verfolgt werden. Von Pressefreiheit kann keine Rede sein, es herrscht Zensur, Medien werden dichtgemacht. Journalisten riskieren Haft, wenn ihre Berichte der Regierung nicht gefallen.

taz: Es gibt den sogenannten Hass-Paragrafen gegen kritische Berichte …

Rísquez: Journalismus in Venezuela ist wie ein Seiltanz. Das ist belastend, vor allem für Journalistinnen wie mich, die mit Opfern von staatlicher und krimineller Gewalt arbeiten. Ich war einfach müde, ich brauchte eine Pause.

taz: Sie haben 2023 ein Buch über eine kriminelle Bande geschrieben …

Rísquez: Das Buch hat einen enormen Skandal ausgelöst, bis hin zu US-Präsident Donald Trump, der den Namen der Bande benutzt hat, um venezolanische Einwanderer zu kriminalisieren. Aber ich sehe es als meine Aufgabe an, die Wahrheit herauszufinden und darüber zu schreiben.

taz: Was haben Sie herausgefunden?

Rísquez: Ich beschreibe die Geschichte und den Charakter dieser Bande, ihre Arbeitsweise. Sie entstand in einem Gefängnis, das sie bald kontrollierte und in eine kleine Stadt umwandelte. Später machte sich die Gruppe auch in Chile, Peru und Ecuador breit. Sie verdient ihr Geld mit Menschen- und Drogenhandel, Auftragsmord, Raub, Erpressung und so weiter. Außerdem habe ich allgemein über die wachsende Kriminalität in Venezuela geschrieben.

taz: Wie hat denn die Mafia auf Ihr Buch reagiert und wie die Regierung?

Rísquez: Mir wurde in sozialen Medien mit dem Tode gedroht, nicht direkt, sondern über Verwandte. Ziel war vor allem mein Sohn, der damals 16 Jahre alt war. Die Polizei hat ermittelt, aber bislang ohne Ergebnis. Die Quelle der ­Drohungen bleibt bis heute unbekannt. Vor Kurzem haben mir regierungsnahe Medien vorgeworfen, durch die Veröffentlichung meines Buches Unruhen verursacht zu haben.

taz: Hat die Regierung selbst etwas unternommen?

Rísquez: Es gab Razzien im Gefängnis, gleichzeitig hat sie die Existenz dieser Mafiagruppe abgestritten.

taz: Wie haben Sie die Auszeit bislang genutzt?

Rísquez: Sie ist Gelegenheit, in Ruhe und Sicherheit zu sein und außerdem neue journalistische Arbeitsweisen kennenzulernen. Ich lade meine Batterien auf. Journalismus ist schließlich ein Pfeiler der Demokratie, und die müssen wir verteidigen.