: Reform in den Überwachungsstaat
■ Hartmannbund, FDP-Politiker Baum und SPD-Bundestagsfraktion kritisieren scharf geplante Neuordnung im Gesundheitswesen / „Leistungskonten“ führten zur „Totalerfassung“ und „Bespitzelungsstaat“
Köln (dpa) – Der stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP, Gerhart Baum, hat die im Referentenentwurf der Bundesr Interview der Kölner Tageszeitung Express. Die vorgesehene „Totalerfassung“ der persönlichen Behandlungsdaten jedes einzelnen Patienten in einem Zentralcomputer trage dagegen wenig zu den erforderlichen Kontrollen zur notwendigen Kostensenkung im Gesundheitswesen bei.
Ebenfalls im Express sagte der Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rudolf Dressler, die geplanten Regelungen würde das Intimleben von Millionen Versicherten durch Plastikkarten und Mikrochips offenlegen. Die SPD werde „dagegen eine Volksbewegung mobilisieren“. Erst am Freitag hatte der Hauptgeschäftsführer des Hartmannbundes, in dem niedergelassene Ärzte organisiert sind, Klaus Nöldner, der Bundesregierung vorgeworfen, im Gesundheitsbereich den „totalen Überwachungs- und Bespitzelungsstaat“ zu planen. In einem Interview des Express (Samstagausgabe) verwies Nöldner auf den vorliegenden Referentenentwurf zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen. Danach soll für jeden Patienten bei den Krankenkassen ein sogenanntes Leistungskonto geführt werden. Künftig bekomme jeder Versicherte eine Nummer, unter der alle persönlichen Behandlungsdaten an einen Zentralcomputer gingen, erklärte Nöldner. Dort würden alle Behandlungsdaten, jeder Arztbesuch und Krankenhausaufenthalt unter seinem Namen aufgelistet.
In diesem neuen Personenregister werden laut Nöldner alle Krankheiten einschließlich AIDS erfaßt.
Nach seiner Darstellung wird die Datenweitergabe Pflicht. Eine Folge sei auch, daß die ärztliche Schweigepflicht außer Kraft gesetzt werde. Jeder Arzt, jedes Krankenhaus und jeder Kassenpatient müsse konkrete Auskunft über durchgeführte Behandlungen geben. „Das wird eine Art Geheimpolizei der Kassen.“ Die Leistungskonten bei den Krankenkassen sollen nach Absicht der Bundesregierung größere Transparenz über die Arbeit und Abrechnung von Ärzten erreichen.
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