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Reform hinter verschlossenen Türen

■ Der kubanische Volkskongreß hat Castros minimale Reformen bestätigt / Arbeitslosigkeit ist nicht mehr zu verheimlichen / Privatbetriebe und landwirtschaftliche Genossenschaften unter Staatskontrolle

Havanna (AFP/AP) – Der Abgeordnete Fidel Castro sprach am liebsten für die Opposition: So war der Applaus der Volksversammlung zugleich Beifall für die Regierung des Fidel Castro. „Der Staat“ habe sich als „unfähig erwiesen, die Produktion zu organisieren“. So zitiert die amtliche Nachrichtenagentur Prensa Latina den Präsidenten der sozialistischen Insel.

Zwei Tage lang haben die Abgeordneten des kubanischen Parlaments debattiert, was ihnen der Präsident bereits als Wirtschaftsreform in diesem Herbst verordnet hatte: Private Betriebe und landwirtschaftliche Genossenschaften sollen der wachsenden Wirtschaftskrise Herr werden.

Denn keine Rhetorik kann die wirtschaftliche Lage mehr beschönigen. Zum erstenmal gab auch Fidel Castro zu, daß in Kuba Arbeitslosigkeit herrsche – die ebenfalls amtliche Nachrichtenagentur AIN übersetzte den bislang verpönten Ausdruck mit „Überschuß an Arbeitskräften“.

Das Revolutionsparlament tagte unter Ausschluß der Öffentlichkeit. Hinter verschlossenen Türen wagten es die Abgeordneten zum erstenmal, ein Regierungsdekret abzuändern, bevor sie es – einstimmig – in Kraft setzten: Die Korrekturen betrafen das Gesetz, das unter bestimmten Bedingungen die Arbeit in Privatbetrieben erlaubt. Castros Finanzminister Francisco Linares will damit vor allem „Mittel für die Unterstützung von Arbeitslosen“ einsparen.

Doch die Reform ist eng begrenzt: Die Regierung, so Linares, werde das Arbeiten in Privatbetrieben lediglich „ehrlichen Menschen“ gestatten und nicht „Verbrechern“, die auf persönliche Bereicherung auf Kosten ihrer notleidenden Landsleute aus seien. Ein Kontrollgremium soll die selbständigen Betriebe überwachen. Vor kurzem hatte die Regierung bereits die Genehmigung widerrufen, private Restaurants zu eröffnen.

Hoffnungen auf weitergehende Beschlüsse hat der Volkskongreß enttäuscht. Schon die Minimalreformen dieses Jahres, etwa die Erlaubnis, Devisen zu kaufen, sind dem Präsidenten lästig: Er habe „Maßnahmen ergreifen müssen, die dem Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft zuwiderlaufen“. Aber in der Not seien „Revolutionäre bereit, solche Zugeständnisse einzugehen, ohne den Weg des Kapitalismus“ einzuschlagen“.

Das Haushaltsdefizit beläuft sich auf 4,8 Milliarden Pesos. Das größte Loch in die Staatskasse reißen Lebensmittelsubventionen für die Bevölkerung. Neue landwirtschaftliche Genossenschaften sollen nun versuchen, die bankrotten Zuckerplantagen rentabel zu bewirtschaften. Castro ist sicher, daß so auch die Zuckerernte wieder ansteigen werde.

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