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Reform des UmweltrechtsCSU beerdigt Umweltgesetzbuch

Mit der Vereinheitlichung des Umweltrechts wollte die große Koalition Genehmigungsverfahren für Investitionen vereinfachen. Nun dürften die wohl noch komplexer werden.

Genau! Weggesperrt gehört sie, die "scheue" Haselmaus. Denn sie verhindert Straßen, Fabriken und neue Siedlungen - und damit den Aufschwung, findet die CSU. Bild: dpa

Das Umweltgesetzbuch ist gescheitert. "Es wird in Deutschland kein einfaches, transparentes und unbürokratisches Umweltrecht aus einem Guss geben", erklärte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) am Sonntag. Bis in die Nacht zum Samstag hinein hatte er mit CSU-Chef Horst Seehofer verhandelt. Offenbar wollte Gabriel Kanzlerin Angela Merkel (CDU) noch Gelegenheit geben sich einzuschalten. Als am Sonntag keine Meinungsänderung in München zu erkennen war, gab der Minister auf: Das Projekt sei "am dumpfem Reformunwillen der Union gescheitert".

Wer eine Geflügelfarm oder eine Chemiefabrik bauen will, muss derzeit tausende von Vorschriften einhalten: Baugesetz, Bundesimmissionschutzgesetz, Gefahrstoffverordnung, Naturschutzgesetz, Wasserhaushaltsgesetz und so weiter. Mal macht der Bund die Vorschriften, mal das Land. Das komplizierte Verfahren dauert oft Jahre.

Um das zu vereinfachen, hatte Merkel schon als Umweltministerin im Kabinett Kohl ein Umweltgesetzbuch angeschoben: Die zersplitterte Rechtssprechung sollte vereinheitlicht und auf ein Genehmigungsverfahren vereinfacht werden. In der großen Koalition stand das Umweltgesetzbuch deshalb bereits in den ersten Regierungsmonaten auf der Tagesordnung.

Zwischen Union und SPD gab es über hundert Streitpunkte, die man ausgeräumt habe, sagt der SPD-Umweltpolitiker Ulrich Kelber. "Es gibt innerhalb der Bundesregierung einen abgestimmte Gesetzentwurf, und 15 der 16 Bundesländer sind für das Umweltgesetzbuch", sagt auch Ministeriumssprecher Jürgen Maaß. Alle sind dafür - außer der CSU, die nach dem Verlust der absoluten Mehrheit in Bayern aus dem Konsens ausscherte.

Treibende Kraft ist CSU-Wirtschaftsminister Michael Glos, der das Gesetzesvorhaben dazu nutzen wollte, das Umweltrecht insgesamt zu kappen. In einem Vermerk des Wirtschaftsministeriums, der der taz vorliegt, heißt es: Zeitraubende Umweltverträglichkeitsprüfungen, die Gefahren für Tier und Pflanze aufspüren sollen, lüden zum Missbrauch ein. Jedermann könne "mit nicht nachgewiesenen Behauptungen" über das Vorkommen seltener Spezies "insbesondere Verkehrsinvestitionen" blockieren. Beliebte Phantomtiere seien die "sehr scheue Haselmaus", Feldhamster oder die Mopsfledermaus.

Zudem stört sich die CSU an einer EU-Vorgabe. Bei der Genehmigung von Autobahnen oder Chemiefabriken solle auf die Beteiligung der Öffentlichkeit verzichtet werden können, meint sie. Man könne sie doch ins "Ermessen der Behörde" legen. Bisher müssen Bürger an für den Naturschutz relevanten Vorhaben beteiligt werden.

Andere Idee der CSU: Investoren, die Flächen versiegeln lassen, müssen derzeit für diesen "Eingriff in den Naturhaushalt"- wie das bürokratisch heißt - einen Ausgleich schaffen. Einfachste Maßnahme: Sie pflanzen Bäume. Wie viele, das hängt davon ab, wie wertvoll die Fläche vorher aus Umweltsicht war. Geht es nach dem Willen der CSU, soll der ökologische Wert einer Fläche keine Rolle mehr spielen, sondern nur noch die Größe. Dann wäre es also egal, ob die Fabrik auf einem Acker gebaut wird oder in einer Flussaue, in der seltene Tiere und Pflanzen leben.

Vor allem wegen der Föderalismusreform ist das Nein der CSU ein Desaster: Ab Ende 2009 dürfen die Länder eigene Wasser- und Naturschutzgesetze schaffen. "Nun droht ein Wettlauf der Länder bei der Senkung von Umweltstandards", befürchtet die Vizevorsitzende des Umweltverbandes BUND, Ulrike Mehl. Noch schlimmer dürfte allerdings für Investoren werden: Standortentscheidungen müssen dann auf 16 verschiedene Landesgesetze abgestimmt werden.

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