piwik no script img

Reform des Kontrollsystems gefordertNeuer Skandal um Bio-Eier

Ein Betrieb mit 20.000 Hühnern soll billige konventionelle Eier als teure Bioware verkauft haben. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Die Hühner vom Betrieb Hennenberg sollen nicht genug Auslauf bekommen haben. Bild: ap

Die Biobranche hat einen neuen Betrugsskandal. "Wir haben ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wegen des Verdachts, dass Bioeier verkauft wurden, die diese Bezeichnung möglicherweise nicht verdient haben", sagte am Mittwoch der Sprecher der Staatsanwaltschaft Wuppertal, Wolf Baumert. Zu den Beschuldigten zählten die Inhaber des nordrhein-westfälischen Eierproduzenten Hennenberg und Verantwortliche der Öko-Kontrollstelle IMO. Tatort soll eine Anlage in Velbert gewesen sein, in der 20.000 Hühner lebten. Die Firma Hennenberg wollte sich nicht äußern.

Am besten belegt scheint der Vorwurf zu sein, dass die Hühner weniger Auslauf hatten, als von der EU-Bioverordnung vorgeschrieben. "Zeugen haben erklärt, dass die Hühner von Januar bis Anfang April nur rund zehn Tage draußen gewesen seien", berichtete die Sprecherin des Landesamtes für Verbraucherschutz von Nordrhein-Westfalen (Lanuv), Babette Winter. Dabei hätten die Tiere mehr als einen Monat lang Zugang zum Freien haben müssen. Im Stalltagebuch seien viel mehr Auslauftage vermerkt. Sollten die Zeugenaussagen stimmen, wäre das Tagebuch gefälscht. "Das wäre keine Ordnungswidrigkeit mehr, sondern eine Straftat. Deshalb haben wir das Verfahren an die Staatsanwaltschaft abgegeben und Anzeige gestellt", sagte Winter. Zudem sieht die Behörde Anzeichen dafür, dass die Auslauffläche zu klein war. Derzeit halte der Betrieb die Regeln aber ein.

Die Tierschutzorganisation Peta wirft Hennenberg sogar vor, Eier aus ihren offiziell konventionellen Ställen als Bioprodukte verkauft zu haben. Aktivist Edmund Haferbeck: "Die Eier wurden nach Bedarf etikettiert." Er beruft sich auf eine eidesstattliche Versicherung eines Insiders, der 2006/2007 für Hennenberg gearbeitet habe.

"Die Kontrollstelle IMO hat diese für jegliche Laien sichtbaren Missstände seit zwei Jahren durchgewunken", sagt Haferbeck. Die Firma kontrollierte Hennenberg nach eigener Darstellung 2007 und 2008 jeweils nur einmal. Das stößt auch bei Branchenmedien wie der Zeitschrift BioHandel auf Kritik: "Großbetriebe die - wie bei Hennenberg - zu einem Verbund an Betrieben mit konventioneller und ökologischer Produktion gehören, zählen zur obersten Risikostufe und müssten nach guter Praxis mehrmals jährlich möglichst unangekündigt überprüft werden." Kontrollstellen-Leiter Bernhard Sessler ist sich keiner Schuld bewusst. "Der Ökobetrieb Hennenberg in Velbert hatte keinen konventionellen Zweig." Die Nicht-Bio-Teile waren selbständige Unternehmen.

Auch das Lanuv sieht keine Rechtsverstöße der Kontrolleure. Aber Sprecherin Winter sagt: "Man muss prüfen, ob das Kontrollsystem aus der Zeit, als die Betriebe sehr klein waren, noch zeitgemäß ist." Nach Haferbecks Meinung kann es nicht sein, dass die Behörden die Inspektionen privaten Kontrolleuren überließen, die von den überprüften Unternehmen ausgesucht und bezahlt werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

10 Kommentare

 / 
  • H
    Huihui

    Selbst in der Biobranche ist das Töten von männlichen Küken üblich. Weil sie nichts bringen, weil alles mal wieder am Verbraucher hängt. Er will nun mal am liebsten ein Hühnchen mit 10 Brüsten und mehrere Schenkeln Geflügeln und das von der Sorte Masthähnchen, die extra dafür gezüchtet werden. Nach alten Suppenhühner krähen die wenigsten Verbraucher. Da kann man froh sein, das die "ausgemergelten Hühner" überhaupt noch aufgebraucht werden.

    Mehr Mut zu mehr Bescheidenheit beim Essen, nicht immer nur das Filetstückchen zu verlangen, sondern bei anderen Kulturen abschauen, die wenigsten von ihnen sind so delikat wie die Deutschen...Sofern muss sich der Deutsche nicht wundern was er am Ende auf dem Teller bekommt.

  • A
    Anhalter62

    - kürzeste Wege vom Produzenten zum Verbraucher

     

    das muß doch gerade für solche Produkte das A und O sein. Stattdessen kann ein großkapitalistischer Hühnerproduzent wie hier dargestellt im Film seine Eier als Bio oder Freiland verkaufen. Die Krönung dann tote und kranke Hühner im Stall.

    Diese ganze korrupte Gesellschaft gehört ohne wenn und aber abgeschafft.

    Aber all das bleibt letztendlich mal wieder nur eine Randerscheinung in unserer sogenannten Demokratie ...

  • M
    marleen

    ich hab das eher so verstanden das tobias schlegel (moderator von extra3) jetzt noch eine neue sendung hat u da deckt er den bio eier skandal auf!

  • BP
    Boulaich Patrick

    Wie man jetzt erfahren konnte durch den Moderator Tobias Schlegel der Sendung Extra3 soll der Großproduzent Hennenberg seine Berechtigung für Bio Eier wieder zurück bekommen haben.... Wo man nur hinschaut Lug und Betrug und List und Tücke und die Behörden wiisen das und tolerieren es wohlwissend......

    Versteht mich nicht falsch aber nach BSE,Gammelfleisch,Falschetikettierung von Eiern, H5N1 und so weiter und so fort verliert man den Glauben an unseren Rechtsstaat...Hier geht es nicht um den Bürger der beschützt werden muss sondern um Geld,Geld,Geld,Geld,Geld das Individuum zählt inn einer Gesellschaft in der Geld wichtiger ist als die Gesundheit und Unversehrheit des Menschen absolut nichts.....

    Und das schlimme ist das dass immer so weiter gehen wird bin gespannt was als nächstes folgt

  • BP
    Boulaich Patrick

    Wie man jetzt erfahren konnte durch den Moderator Tobias Schlegel der Sendung Extra3 soll der Großproduzent Hennenberg seine Berechtigung für Bio Eier wieder zurück bekommen haben.... Wo man nur hinschaut Lug und Betrug und List und Tücke und die Behörden wiisen das und tolerieren es wohlwissend......

    Versteht mich nicht falsch aber nach BSE,Gammelfleisch,Falschetikettierung von Eiern, H5N1 und so weiter und so fort verliert man den Glauben an unseren Rechtsstaat...Hier geht es nicht um den Bürger der beschützt werden muss sondern um Geld,Geld,Geld,Geld,Geld das Individuum zählt inn einer Gesellschaft in der Geld wichtiger ist als die Gesundheit und Unversehrheit des Menschen absolut nichts.....

    Und das schlimme ist das dass immer so weiter gehen wird bin gespannt was als nächstes folgt

  • JN
    Jochen Neuendorff

    Elisabeth Petas hat recht: Die Herdengroesse muss begrenzt werden, und zwar auf max. 1000 Tiere. Die Kontrollen muessen haeufiger und unangekuendigt erfolgen, je nach Bestandesgroesse.

    Bio-Verband allein hilft nicht.

  • M
    marleen

    ich finde es wirklich ganz schrecklich wie tiere grade geflügel grade bei der konventionellen landwirtschaft gehalten wird,das ist tierquälerei!

  • EP
    Elisabeth Petras

    Um derartige Betrugsfälle in der Zukunft zu vermeiden, sollte man die Herdengröße 8nicht die Bestandsgröße) in Bio- Boden- und Freilandheltung auf 1.000 Tiere begrenzen, wie wir Tierschützer es schon lange fordern. Momentan sind selbst im Biobereich Herden bis 3.000 Tiere erlaubt und im konventionellen Boden- und Freilandbereich gibt es aogar Ställe mit 20.000 Tieren. Bei diesen hohen Herdengrößen finden die Tiere aus sozialen Gründen nicht zum Ausgang, weil sich Untergruppen bilden. Hühner können sich - wie auch Menschen - nur eine begrenzte Zahl von Hühner-Individuen merken. Die sehr enge Haltung in so großen Herden bedeutet Dauerstress, Kannibalismus, im konventionellen bereich sogar gekappte, empfindliche, schmerzende Schnäbel und Fußballenschäden. Diese Haltung ist zwar immer noch besser als konventionelle oder "Kleingruppen"-Käfighaltung, doch entspricht beides nicht dem Tierschutzgesetz, das in § 2 fordert, Tiere so zu halten, dass ihnen dadurch keine Schmerzen und Leiden entstehen. Das ist in der Geflügelhaltung aber sehr oft bis fast immer der Fall! Wer sicher gehen will, kauft bei Höfen, die er selbst besichtigte, die zumindest durch einen Bio-Verband zusätzlich kontrolliert wurden - oder verzichtet auf Geflügel + Ei, was problemlos möglich ist!

  • E
    emil

    mehr bezahlen? nein nein. wenn mensch günstig produziert würde, wäre das eben der renner. augen zu und guten appetit.

  • A
    Antonietta

    industrielle Eiererzeugung: Nur die weiblichen Küken sind von Nutzen. Die männlichen Küken werden bei lebendigem Leibe zerschreddert, mit Kohlenmonoxid vergiftet oder noch lebend in Mülltonnen geworfen, wo sie ersticken. Die weiblichen Hühner werden mit drei bis sechs Artgenossen in winzige Käfige gesteckt, so dicht, daß sie nicht einmal ihre Flügel spreizen können. 18 Monate und etwa 400 Eier später werden die Hennen verladen und zum Schlachthof transportiert. Hier macht man aus ihren ausgemergelten Körpern noch Hundefutter oder Hühnersuppe.