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Rede auf SPD-ParteitagSteinbrück mahnt "Realitätstest" an

Der ehemalige Finanzminister Peer Steinbrück hat auf dem SPD-Parteitag vor überzogegenen Steuererhöhungen gewarnt. Die Partei müsse zeigen, dass sie regierungsfähig sei.

"Nicht mehr versprechen als gehalten werden kann", fordert Peer Steinbrück von seiner Partei. Bild: dpa

BERLIN afp/dpa | Der frühere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) hat seine Partei gewarnt, sich Wahlchancen nicht durch Forderungen nach zu drastischen Steuererhöhungen zu verspielen. Die SPD müsse direkt nach dem Ende des Parteitags den "Realitätstest" bestehen und kritische Einwände abwehren können, sagte Steinbrück am Dienstag in seiner Rede vor den Delegierten.

Nur wenn die SPD Mehrheiten gewinne, könne sie ihre Vorstellungen in die Tat umsetzen. "Das muss das ganze Sinnen und Trachten der SPD sein, mit unseren Konzepten und unserer öffentlichen Darstellung unsere Regierungsfähigkeit zu belegen und unseren Regierungswillen zu dokumentieren", mahnte Steinbrück, der als einer der Anwärter auf die Kanzlerkandidatur gilt.

"Wir müssen dem Versuch widerstehen, den Menschen mehr zu versprechen als wir halten können", schloss sich Steinbrück der am Vortag von SPD-Chef Sigmar Gabriel ausgegebenen Devise an. Der Maßstab für Regierungsfähigkeit und Regierungswillen sei, ob sich die SPD inhaltlich öffnen könne auf eine sich verändernde Welt und Gesellschaft. Allein mit Empörung und guten Absichten könne politisch nichts verändert werden, sagte Steinbrück, der am letzten Tag des Parteitags den Leitantrag zum Thema Wirtschaft und Finanzen einbrachte.

Das Steuerkonzept des SPD-Vorstands sieht die Anhebung des Spitzensteuersatzes von derzeit 42 auf 49 Prozent vor. Die geltende Reichensteuer von zusätzlich drei Prozentpunkten soll nach dem Willen der Parteiführung entfallen, die SPD-Linke will sie aber beibehalten.

"Europa ist nicht Physik"

Die Steuersenkungspläne der schwarz-gelben Regierung nannte Steinbrück "fiskalischen Schwachsinn". Er nehme an, dass sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) "jeden Tag in der Adventszeit eine, vielleicht zwei Kerzen ins Fenster stellt, dass die SPD im Bundesrat diesen Schwachsinn verhindert".

Mit Blick auf Europa warf Steinbrück Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor, sie bringe keine Leidenschaft für die europäische Geschichte auf. "Diese Bundeskanzlerin hat keinen Zugang zur europäischen Story", sagte er. "Europa ist nicht Physik." Sein Hauptvorwurf sei, dass Merkel mit negativen Begriffen wie Transferunion oder Haftungsgemeinschaft Ressentiments hervorrufe. Deutsche Solidarleistungen für Europa seien aber richtig, betonte Steinbrück.

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8 Kommentare

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  • M
    Mario

    Die SPD ist nur erfolgreich, wenn sie die Partei der Arbeit ist .. wahrscheinlich hat Sigmar Gabriel etwas nicht ganz verstanden, denn der Satz lautet: Die SPD ist nur erfolgreich, wenn sie die Partei des Großkapitals und der Finanzindustrie ist - frei nach Steinbrück. Wer die meiste Kohle für den Wahlkampf zusammen bekommt, der heißt nicht Gabriel, nicht Nahles und nicht Steinmeier, sondern Steinbrück. Ich kann nur sagen: Der Mann hat sein Chance redlichst verdient.

     

    Wenn alles klappt mir ihm, muss man keine Angst mehr vor den Wahlen 2013 haben ... Denn so sieht der Wiederaufstieg nach Gabriel aus: Geschloßen für Leiht- und Zeitarbeit, Ein-EuRO-Jobs und stagnierende Löhne.

  • C
    Celsus

    Da sollten wir uns einmal erinnern, wie die historische Finanzkrise in den USA überwunden wurde. Es wird den Reichen und Mächtigen zwar nicht schmecken, aber es waren nach Massenprotesten beschlossene Steuersätze von bis zu 70 %. Wenn die fälligen Entshceidungen zu angemessenen Steuereinnahmen fehlen, die den Staatshaushalt decken, werden wir auch hierzulande derartige Steuersätze brauchen. Schuld sind diejenigen bis hin in die SPD, die in neoliberaler Gerüchtekocherei das mit Händen und Klauen abwehrten und doch zum Teil gar noch Steuersenkungen forderten.

     

    Aber Steinbrück bleibt seiner Linie treu. Ist es müß9g daran zu erinnern, welche Regierungskoalition Hartz IV einführte und im Gegenzug den Spitzensteuersatz senken konnte? Es war eine rot-grüne Bundesregierung!

  • V
    vic

    Ach Herr Steinmeier, gehn sie doch zur CDU oder in Rente.

  • B
    BIGBROTHER

    Es muss in einem solchen Artikel daran erinnert werden, dass dieser Mann massgeblich die Handlungsmöglichkeiten der modernen Finanzverbrecher erweitert hat - es erscheint mir als journalistische verantwortungslosigkeit, Steinbrück hier ohne seine Geschichte darzustellen - das ist ein ganz wesentlicher Aspekt beim Versagen der presse zum Thema "Finanzkrise" - das immer wieder den produzierten News der Protagonisten hinterhergrannt wird, ohne sie in den historischen Kontext zu stellen.

     

    Es ist insgesamt ein Witz, dass die SPD ausgerechnet Steinbrück inszeniert - unglaublich, dass er schon vorab eine sowoeso schon viel zu schwache Initiative noch weiter zu schwächen versucht.

     

    Die TAZ muss sollte Ihren Beitrag zur Geschichtsschreibung nicht so leichtfertig aufgeben - ich will hier bei jedem Artikel einen Kasten haben, der mir die Rolle Steinbrücks bei der Freigabe von besonders spekulativen Wertpapieren dokumentiert - und zwar jedes Mal, wenn was über den geschrieben wird - damit auch Google was davon hat!

  • K
    Kaiserbubu

    Die Realisten haben doch den Bockmist verzapft und fordern Realitätssinn. Träumer an die Macht.

  • Y
    yberg

    der erste selbsternannte kanzlerkandidat,der sich schon jetzt selbst den INSM nahen neoliberalen wirtschaftslobbyisten,verbänden,unternehmen und interessengruppen für 5stellige euro preise zum kauf andient.

     

    äußerst innovativ ..

     

    über die fähigkeiten und fertigkeiten des herrn hat der interessierte leser schon an anderer stelle genug

    mitbekommen.

     

    mir fiel auf ,daß er in der HRE entscheidung feige war.da hätte man die schädiger mit der hauptlast des schadens betrauen können.vorraussetzung wäre anwesen-

    heit gewesen und hartes verhandeln.sein credo 10 tage vorher war,die finanzkrise betrifft deutschland nicht.steinbrück kommt eben vom gipfel der ahnungslosen,standesgemäß.

     

    sollte sich die SPD auf den mehrfachen wahlverlierer steinbrück einlassen,wird sein haupterwerb zu recht zur steilvorlage für alle andern parteien thema werden.

     

    nun denn,jede partei hat ihre paradiesvögel ,aber diese bedienen andernorts die galerie...

  • U
    uli

    Schoene Kombination in der Einleitung. Legt den Schluss nahe, dass nur derjenige "regierungsfaehig" ist, der keine (Reichen-)Steuern erhoeht.

    Das ist wahrscheinlich auch alternativlos!

    Da fragt man sich nach dem Unterschied zur Physikerin...

     

    Kann eine Partei -jetzt mal nur theoretisch- ueberhaupt noch "Regierungs-faehig" sein, die den ueberwiegenden Teil der Bevoelkerung representiert?

     

    ( Das ist ja nicht so interessant, weil ja eh nur maximal 2/3 der Berechtigten waehlen und davon vermutlich ja ein drittel Stimmenanteil reicht, das sind ja nur noch ca.20% des Gesamtwahlvolkes.)

     

    Vielen Dank Hr.Steinbrueck fuer die Ehrlichkeit....

     

    Vielleicht ueberdenken die Gewerkschaften ja noch bis zur Wahl, wem sie ihre Untertstuetzung zusichern.

  • H
    hasso

    Erst alles falsch machen und jetzt plötzlich die Weisheit gefressen! Ohne die Agenda 2010, gäbe es weniger Elend in Deutschland: Und Merkel hat den vorgegebenen Kurs nur weiter gesteuert. Man sage mir nur einmal, was die SPD von den Einheitsparteien noch unterscheidet? Was die kaputt gemacht hat, wird sie jetzt nicht mehr richten können. Getöse und Palaver -nichts weniger.