Rechtsruck der Hamburger CDU: Jung, kantig, konservativ
Um wieder beim Wähler zu punkten, stellt sich die Partei neu auf: Der liberale Restbestand der Großstadtpartei kommt aufs Abstellgleis.
Jünger, weiblicher, konservativer – so sieht der von der Parteispitze vorgeschlagene Landesvorstand aus, den ein CDU-Parteitag am 11. Juni noch bestätigen muss. Nicht mehr mit dabei sein wird der Ex-Spitzenkandidat und liberale Partei-Vordenker Dietrich Wersich, der innerparteilich derzeit nach unten durchgereicht wird. Erst verlor er den Fraktionsvorsitz an André Trepoll,vor wenigen Tagen dann den Kreisvorsitz in Nord an Christoph Ploß, der ihn nun auch im Landesvorstand beerbt. Keine Gnade also für Wahlverlierer. Mit Marcus Weinberg war nach der Wahl das zweite liberale Aushängeschild der Partei als Parteichef zurückgetreten, noch bevor ihn die Parteifreunde vom Hof jagen konnten.
Mit den „alten Gesichtern“ sei ein Neustart nicht möglich, sagt Parteichef Heintze. Diese hätten sich viele Verdienste für die Stadt erworben, lobt er Wersich und Weinberg in die politische Frührente: „Aber wir müssen neuen Herausforderungen begegnen. Und dafür brauchen wir eine neue Truppe.“
Trepoll und Heintze, das heißt kantiger und nicht mehr ganz so liberal, sondern stärker orientiert auf die klassischen CDU-Themen Wirtschaftskompetenz und innere Sicherheit. Heintze will – wie schon im Dezember 2015 angekündigt – Parteichef bleiben. Bei seinen vier Stellvertretern sollen jedoch gleich drei Neue kommen: Wersich-Nachfolger Christoph Ploß, die Bürgerschaftsabgeordnete Birgit Stöver und der CDU-Kreisvorsitzende von Hamburg-Mitte, Christoph de Vries. Dafür scheidet neben Wersich auch Hamburgs frühere Umweltsenatorin Herlind Gundelach, die ebenfalls für eine liberale Erneuerung der Partei steht, als Parteivize aus.
Nicht nur an der Parteispitze, auch im gesamten 27-köpfigen Landesvorstand sinkt der Altersschnitt: von derzeit 54 auf 45 Jahre. Der Frauenanteil in der unter notorischem Frauenmangel leidenden Partei wiederum steigt von 36 auf 44 Prozent, wie Heintze stolz verkündet.
Roland Heintze, CDU-Parteichef
Der 43 Jahre alte Parteichef kündigte zudem an, sich „nicht um ein Mandat für den Deutschen Bundestag zu bewerben“. Damit beendete er die Scharmützel mit dem Bundestagsabgeordneten Rüdiger Kruse. Beide Politiker hatten sich 2015 darauf verständigt, dass Kruse seine Kandidatur für den Parteivorsitz zugunsten Heintzes zurückzieht und dieser dafür auf eine Bundestagskandidatur verzichtet. Diese Vereinbarung hatte Heintze zuletzt jedoch infrage gestellt.
Heintze ließ jedoch durchblicken, dass er 2019 einen neuen Anlauf bei der Wahl des Europaparlaments nehmen könnte. 2014 hatte er den Einzug ins Europaparlament knapp verpasst.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
„Männer“-Aussage von Angela Merkel
Endlich eine Erklärung für das Scheitern der Ampel