Rechtsrock in Brandenburg: Bürger gegen Hassmusik
In Finowfurt hat sich der wichtigste Veranstaltungsort der Brandenburger Nazi-Szene etabliert. Zum ersten Mal protestieren Gemeinde und Antifa gemeinsam dagegen.
Normalerweise freut sich Uwe Schoknecht, wenn Gäste von außerhalb kommen. Schließlich lebt die Schorfheide auch vom Tourismus, sie wirbt mit dem Slogan „Europas größter Wald. Einen Steinwurf von Berlin entfernt.“ Aber jetzt, sagt der Bürgermeister, sei es, als würde „ein Krebsgeschwür in die Gemeinde gepflanzt“.
Schoknecht, 56, ist seit 16 Jahren parteiloser Bürgermeister. Er erinnert sich noch genau daran, wie die Nazi-Aktivitäten anfingen. 2006 sei der Neonazi Klaus Mann hergezogen. In den Jahren darauf Mittsommerfeiern, Sportfeste – und dann Konzerte. Das bislang größte soll es diesen Samstag geben. Und erstmals auch großen Protest dagegen.
Klaus Mann, Jahrgang 1962, war schon lange in der Naziszene aktiv, bevor er sich in Finowfurt niederließ, einem Ortsteil der Gemeinde Schorfheide. Hier lebt er mit seiner Frau und seinem Sohn, die auch als Rechtsextreme bekannt sind. Mann war der letzte DVU-Landeschef, heute ist er an der Landesspitze der Partei Die Rechte. Gern verknüpft er Parteitreffen mit Musik. 600 Nazis kamen etwa zum „Preußentag“ der NPD im vergangenen Jahr auf sein Grundstück. Die meisten wurden laut Verfassungsschutz von den Bands angelockt, die dort spielten.
Manns Grundstück, außerhalb des Ortes zwischen Autobahn und Wald gelegen, ist zum wichtigsten Veranstaltungsort der rechtsextremen Szene in Brandenburg geworden. Hörbaren Protest dagegen gab es bislang wenig. Ein Grund: Die Nazikonzerte wurden in den vergangenen Jahren meist nicht groß beworben. Und die Anwohner hatten Angst vor dem drohenden schlechten Image.
Unterstützung für NSU-Helfer?
13 Bands sind für Samstag angekündigt, die meisten aus Brandenburg und anderen ostdeutschen Bundesländern, aber auch aus anderen Teilen Deutschlands. Darunter sind auch Szenegrößen wie Legion of Thor oder Sleipnir. 500 Karten sind angeblich verkauft, vielleicht ist die Limitierung aber auch nur ein Werbetrick, und es sind mehr. Klar ist: Das Rechtsrock-Festival dürfte auch bundesweit Interesse finden. „Man muss sich der Sache stellen“, sagt Bürgermeister Schoknecht. Also dagegen protestieren.
Die neue Dimension lässt auch eine neue Allianz entstehen. Das bürgerliche Bündnis „BUNTE Schorfheide“ arbeitet nun mit dem linken Bündnis „Finowfurt Nazifrei“ zusammen. „Den Nazis den Stecker ziehen“, dazu ruft jetzt auch der Bürgermeister auf. In der Konzerthalle sollen Ausschnitte aus dem „Großen Diktator“ gezeigt werden, dann wollen alle zusammen in Richtung Konzertort ziehen.
„Wir wollen die Anreise der Nazis so behindern, dass sie etwas davon merken“, sagt Sebastian Walter. Er ist Sprecher des Bündnisses „Finowfurt Nazifrei“ und hat die Demo angemeldet. 23 Jahre ist er alt und ist in einem kleinen Dorf in der Nähe aufgewachsen. Über Klaus Mann sagt er: „Der hat mich schon die ganze Jugend beschäftigt. Der Typ muss endlich merken, dass er hier nicht willkommen ist.“
Walter freut sich, dass der Bürgermeister und er sich inzwischen gut verstehen und eng zusammenarbeiten – früher war das offenbar anders. Er hofft, dass sie dann auch „Mittel des zivilen Ungehorsams“ einsetzen werden. Sprich: Den Nazis den Weg blockieren. Die Polizei will das verhindern.
„Verbieten kann man das Konzert leider nicht“, sagt Bürgermeister Schoknecht. „Wir haben alles abgeklopft.“ Er überlegt kurz. „Bei Waldbrandwarnstufe 4, da könnte man vielleicht noch was machen.“ Aber so trocken ist es derzeit nicht. So will es die Verwaltung den Nazis zumindest mit allerlei Auflagen schwer machen: Toilettenwagen müssen sie aufstellen und dürfen nach 22 Uhr nur noch in Zimmerlautstärke Musik abspielen. Maximal 1.000 Leute dürfen aufs Gelände.
Diese Auflagen werden aber bislang alle eingehalten. Mehrfach aber wurden auf Manns Grundstück von der Polizei Veranstaltungen aufgelöst, weil volksverhetzende Lieder gespielt wurden.
Das Konzert („Unkostenbeitrag“ 30 Euro) wird als „Benefizkonzert“ beworben, für wen das Geld bestimmt ist, wird aber nicht verraten. Svenna Berger vom Berliner Antifa-Recherchezentrum Apabiz hat eine Vermutung: Auf einem Flyer stehe der Slogan „EINER für alle – alle für EINEN“. Damit könnte der mutmaßliche NSU-Helfer Ralf Wohlleben gemeint sein, der in München vor Gericht steht und von seinen Kameraden große Unterstützung erfährt.
In Finowfurt wurde bereits das nächste große Konzert angemeldet. Für den 17. August, den Todestag von Rudolf Heß.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen