piwik no script img

Rechtsradikale sahnen bei CDU und SPD ab

■ Die "Großen" mußten bei den gestrigen Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein ganz gehörig Stimmen abgeben, Erwin Teufel im Süden sogar fast zehn Prozent - womit seine absolute..

Rechtsradikale sahnen bei CDU und SPD ab Die „Großen“ mußten bei den gestrigen Landtagswahlen in BadenWürttemberg und Schleswig-Holstein ganz gehörig Stimmen abgeben, Erwin Teufel im Süden sogar fast zehn Prozent — womit seine absolute Mehrheit dahin ist. Dafür haben die rechtsradikalen Parteien gewaltig zugelegt. In Stuttgart sitzen in Zukunft die „Republikaner“ im Parlament, in Kiel die „Deutsche Volksunion“.

Im reichsten Land der Bundesrepublik erreichten die „Republikaner“ gestern ihr bestes Landtagswahlergebnis: Über elf Prozent der Stimmen konnten die Rechtsradikalen in Baden-Württemberg für sich verbuchen. Rechnet man die Stimmen hinzu, die außerdem für die rechtsextreme „Deutsche Liga“, die NPD und die rechtsorientierte Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) hinzu, dann erreichten die Parteien des rechten Randes zusammen fast 15 Prozent. Für dieses unerwartet gute Abschneiden hatten die etablierten Parteien gestern noch keine plausible Erklärung parat — die VertreterInnen der CDU, der SPD und der Grüne schoben sich gegenseitig die Schuld dafür in die Schuhe.

Womit vor der Wahl niemand gerechnet hat, kann nun Wirklichkeit werden: eine große Koalition in Baden-Württemberg. Wie man die Zahlen auch dreht und wendet — es reicht weder für eine Ampel noch für eine schwarz-rote Koaltion. Klare Wahlverlierer in Baden-Württemberg sind die großen Volksparteien. Der SPD gelang es nicht einmal, ihr schlechtes Ergebnis der Landtagswahl von 1988 (32,0 Prozent) zu halten, sie verfehlten sogar die 30-Prozent-Marke. Die CDU blieb mit 39 Prozent zwar stärkste Partei, verlor aber satte zehn Prozentpunkte und muß die Regierungsmacht nun teilen. Die Grünen gewannen rund 2 Prozentpunkte hinzu und verfehlten mit 9,8 Prozent nur knapp ein zweistelliges Ergebnis. Große Freude über die Zugewinne kam dennoch nicht auf — schließlich hatten die Reps quasi aus dem Stand ein besseres Ergebnis erreicht. Die FDP lag bei über 6 Prozent.

Im Hinblick auf die Selbsteinschätzung der großen Parteien in Baden-Württemberg ist das gestrige Ergebnis ein Desaster. Punkt 18.30 Uhr liefen die ersten Kandidaten der siegreichen „Republikaner“ im Stuttgarter Landtag ein, einen Pulk von Fotografen und Kameraleuten um sich. „Pfui, pfui“, wurde ihnen lautstark entgegengerufen, sie wurden angerempelt.

In einer ersten Stellungnahme sprach der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der baden-württembergischen SPD von einer erschreckenden „Asylwahl“ und einer sehr ernsten Situation für die baden-württembergische Politik. Die Schuld gab Maurer der CDU, die die Asylfrage zum Hauptwahlkampfthema gemacht habe.

Der Fraktionsvorsitzende der CDU sprach in einer ersten Stellungnahme von einer „Niederlage für die Demokratie“, gab aber gleichzeitig zu, daß seine Partei eben nicht in der Lage gewesen sei, Probleme wie Asyl und die deutsche Einheit zu lösen. Man wolle jetzt versuchen, für den ehemaligen Ministerpräsidenten der CDU, Erwin Teufel, eine regierungsfähige Mehrheit zusammenzubringen, allerdings nicht zusammen mit den „Republikanern“.

„Saugut“ nannte der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Rezzo Schlauch, das Abschneiden der baden-württembergischen Grünen. Man habe die vergangenen vier Jahre eine gute Politik gemacht, und statt Nabelschau zu betreiben sich mit dem politischen Gegner beschäftigt. Eine Koalition mit der SPD, so Schlauch, sei natürlich unter den gegebenen Umständen nicht drin.

Dieter Spöri, der Spitzenkandidat der SPD, sprach von einer ernsten Krise für das Stuttgarter Parlament, verneinte aber, daß es sich bei den Wählern der „Republikaner“ vorwiegend um Rechtsradikale handele.

Der Bundesvorsitzende der „Republikaner“, Schönhuber, prophezeite in Stuttgart Neuwahlen für die Bundesrepublik aufgrund der baden- württembergischen Wahlergebnisse.Willier (Stuttgart)/

Malzahn (Berlin)

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen