piwik no script img

RechtsextremismusGefühlte Sicherheit unter Rechten

Die meisten Gastronomen wollen auf der Weitlingstraße bleiben. Sie sehen keine Gefahr durch Rechte. Bezirk setzt hingegen auf Toleranzprogramme.

Nervige Mode in Lichtenberger Nachbarschaft Bild: reuters

Bei Sonnenschein betrachtet, bietet sich ein freundliches Bild. Die Weitlingstraße ist eine ganz normale Einkaufsstraße, umsäumt von Imbissen und Geschäften, einer bunten Mischung aus Wirten und Verkäufern aller Nationalitäten. Doch der Schein trügt. Denn wenn es abends dunkel wird und die Kneipen sich füllen, wird der Kiez zu einem gefährlichen Pflaster - vor allem für Menschen ausländischer Herkunft. Seit Jahren kommt es hier immer wieder zu rechtsextremistisch motivierten Übergriffen (siehe Spalte).

Fragt man ansässige Gastronomen, reagieren die meisten nur mit einem Schulterzucken. Silvana Römer, Juniorchefin des italienischen Restaurants Bella Mare, fühle sich auf dem Weitlingkiez überhaupt nicht bedroht - anders als der türkische Dönerbudenbesitzer Özer, der vergangene Woche seinen Laden aufgegeben hat. "Da gegenüber gab es ab und zu Differenzen, aber da war der Herr Özer vielleicht auch ein bisschen selbst dran schuld", sagt Römer. Was genau er sich zuschulden hat kommen lassen, kann sie aber nicht erklären. Im Bella Mare gebe es jeden Monat einen Unternehmerstammtisch, bei dem sich die Gastronomen und Verkäufer Lichtenbergs regelmäßig treffen und ausgezeichnet verstehen würden. Rechtsextremismus sei aber kein Thema.

Auch in den zwei anderen türkischen Imbissen an der Straße will man von Problemen mit Rechtsextremen nichts wissen. "Zwar kommen ab und zu ein paar Sprüche, aber es gibt überall Idioten", sagt ein Mitarbeiter im türkischen Spezialitätenladen, der schon seit sechs Jahren dort arbeitet. "Wir bleiben hier." Eine Schlägerei habe er hier noch nie erlebt.

"Lichtenberg ist gefährlich", sagt hingegen Herr Chung, der einen Asia Shop in der benachbarten Margaretenstraße betreibt. Chung kommt aus Vietnam und lebt seit über 20 Jahren in Deutschland. "Fitschis raus" sei nur eine der ausländerfeindlichen Beleidigungen, die er sich oft abends nach Ladenschluss von laut schreienden Jugendlichen anhören muss. "Man kann sich hier nicht richtig sicher fühlen. Sobald ich ein besseres Geschäft finde, bin ich weg", so der Vietnamese.

Warum der Kiez gefährlich für Migranten sein könnte, kann Monika Belach nicht verstehen. Sie ist Geschäftsführerin im Ossi Tempel, in dem in der Weitlingstraße echte deutsche Küche angeboten wird. Zwar gebe es vor allem am Anfang jeden Monats - nach der Gehaltsauszahlung - einige betrunkene Randalierer, aber sie fühle sich "relativ sicher". Vor ihrem Restaurant sitzen zwei glatzköpfige, muskulöse Männer. Der benachbarte Tatooladen Ostzone wird in einer Broschüre des Lichtenberger Bezirksamt als "Geschäft, das für Personen mit rechtsextremer Orientierung interessant ist", beschrieben. Sie verstehe sich auch gut mit dem Wirt Ronny, der in seine als Nazi-Treffpunkt bekannte Kneipe Kiste in der Weitlingstraße zu Germanenpartys einlädt und mit "Thor Steinar"-Plakaten wirbt. Belach wundert sich nur, weshalb sich "eher wenig ausländische Gäste" bei ihr im Restaurant blicken lassen.

Von einer No-go-Area für Ausländer will auch Bezirksbürgermeisterin Christina Emmrich (Linke) nicht sprechen. Dem kapitulierenden Özer bot sie an, eine neue Wohnung für ihn zu finden. Außerdem stellt das Bundesprogramm "Vielfalt tut gut - Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie" 80.000 Euro für verschiedene Anti-rechts Projekte zur Verfügung.

Eines dieser Projekte soll ein Bürgercafé in der Münsterlandstraße sein. Die Geschäftsführerin von urban consult Gmbh, Marion Garbatz, möchte dort gern ab dem 23. August eine Anlaufstelle für alle anbieten, die an "Toleranz und anderen Nationen interessiert" sind. Bürgerengagement sei in diesem Stadtteil wichtig, sagt Garbat. Doch den Dialog mit den Rechten im Bezirk sucht sie nicht. "Wir sind nicht in der Lage, den Rechten Alternativen zu bieten." Eher will sie vermeiden, dass am Eröffnungstag die Rechtsextremen bei ihr vor der Tür stehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!