: Rechtsextreme ändern Wahlkampftaktik
NPD und DVU treffen Absprachen für die Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg am 19. September. Indem sie Rücksicht aufeinander nehmen, wollen sie rechtsextreme Wahlerfolge wahrscheinlicher machen. Der Verfassungsschutz ist beunruhigt
AUS DRESDENMICHAEL BARTSCH
Rechte Parteien teilen den Osten unter sich auf. So tritt in Sachsen die NPD an und in Brandenburg versucht die DVU wieder in den Landtag zu kommen. „Wir spucken uns nicht gegenseitig in die Suppe“, bestätigte der sächsische NPD-Spitzenkandidat und stellvertretende Bundesvorsitzende Holger Apfel gegenüber der taz.
Ende Juni hatten die Parteivorsitzenden Gerhard Frey (DVU) und Udo Voigt (NPD) vereinbart, sich nicht durch gleichzeitige Kandidaturen zu behindern. Mit dem Aufteilen in Hoheitsgebiete haben die nationalistischen Parteien ihre Taktik geändert. Zur Europa- und Kommunalwahl am 13. Juni traten DVU, NPD und auch die „Republikaner“ noch vereint als „Nationales Bündnis“ in Dresden an. In Chemnitz bekam eine Rechtsallianz unter Führung der „Republikaner“ sogar 10,3 Prozent der Stimmen. Dafür schließt der Bundesverband der „Republikaner“ zurzeit sächsische Reps aus der Partei aus. Denn die Bundesreps legen Wert auf das Abgrenzen zu anderen Rechten. Erfolg ihrer Strafaktion: Der sächsische Landesverband existiert faktisch nicht mehr.
Im Osten sehe man eine Zusammenarbeit weniger verbissen, sagen die dortigen Rechtsextremen. „Die persönliche Chemie zwischen den nationalen Parteien hat hier schon immer gestimmt“, sagt Holger Apfel. Deshalb fiel eine regionale Absprache nicht allzu schwer. Auch sächsische Antifa-Aktivisten bestätigen: Sachsens rechtsextreme Parteien können gut miteinander.
Das Ziel des getrennten Marschierens ist klar: Die Rechtsextremen hoffen, ihre bislang zersplitterten Stimmen zugunsten der jeweils stärksten Partei sammeln zu können. „Sachsen kann der Beginn der Veränderung der politischen Landschaft in Deutschland sein“, orakelt die NPD auf ihrer Homepage. Nimmt man die Juniwahlen zum Maßstab, läge das Potenzial dafür in Sachsen bei sechs bis acht Prozent. Rainer Stock, Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz, kann deshalb einen erstmaligen Einzug der NPD in den sächsischen Landtag nicht ausschließen.
Mit dem Wiedereinzug in den Potsdamer Landtag rechnet fest der Brandenburger DVU-Landesvorsitzende Peter-Michael Schuldt. „Die DVU ist eigentlich erledigt“, sagt dagegen Jochen Franzke, der an der Potsadamer Universität zu Brandenburger Kommunalpolitik forscht. „Die Partei hat in ihrer Zeit im Brandenburger Landtag nichts bewegt“, sagt Franzke, „außerdem hat sie keine bekannten Köpfe.“ Der Kommunalforscher gibt aber zu, dass Prognosen bei rechten Parteien schwierig sind. Gerade der Einfluss von Hartz IV auf die Wähler und das Stimmverhalten der einzelnen rechten Strömungen sei schwer zu kalkulieren.
Beide Landesverbände sind auf die Unterstützung der Bundespartei angewiesen, die DVU auf Herrn Frey in München noch viel stärker als die NPD. Die NPD nahm durch die Erfolge bei den Juniwahlen rund eine Million Euro Wahlkampfkostenerstattung ein. Der sächsische Verfassungsschutz spricht zwar von Protestwählern, räumt aber auch eine zunehmende Verankerung nationalistischer Anschauungen in der Mitte der Gesellschaft ein. Der für das NPD-Zentralorgan Deutsche Stimme in Riesa schreibende Holger Apfel verkündet, man werde die „Steilvorlagen der Berliner Großkoalition“ nutzen und die soziale Frage in den Mittelpunkt des Wahlkampfes stellen. Nicht zuletzt sieht er Anzeichen für das Überlaufen potenzieller PDS-Wähler zur NPD.
Die Brandenburger DVU will hingegen bei den klassischen Kampfparolen bleiben wie „Arbeit zuerst für Deutsche“. Zudem betont sie ihre Grundgesetztreue und Gewaltfreiheit. Und wirbt in Wahlwerbespots mit der verstorbenen Gutmenschenlegende Regine Hildebrandt, einst SPD-Sozialministerin. Die SPD will sich dagegen juristisch wehren, was die DVU nicht versteht. „Ich achte die Frau, die den heutigen Sozialabbau niemals mittragen würde“, sagt Schuldt mit Pathos in der Stimme. Und meint, auch Regine Hildebrandt würde heute Protest wählen.