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Rechtsextreme: Sie fühlen sich sicher in einer schweigenden Sympathie-Hierarchie. taz-LeserInnen fordern entschlosseneres HandelnDas war immer so in diesem Land

betr.: „Wir wollen uns nicht schämen“, taz vom 1. 8. 00

[...] In Ihrem Interview kann Renate Künast zwar kein abgeschlossenes Konzept für die Bekämpfung des Rechtsextremismus vorlegen. Aber immerhin erkennt sie als eine von wenigen, dass es nicht mit der Beschwörung des „starken Staates“ und verstärkter Repression getan ist.

Beides ist zwar Grundvoraussetzung dafür, dass sich Menschen schwarzer Hautfarbe, jüdische Bürgerinnen und Bürger, sozial Ausgegrenzte wieder sicher fühlen können. Das eigentliche Problem aber ist die „klammheimliche“ Unterstützung und das spießbürgerliche Sympathisieren in der Mitte der Gesellschaft, auf Fußballplätzen, in Kneipen und Büros, die achselzuckende Gewöhnung an die Alltäglichkeit rechter Gewalt. Dazu kommt die bereits von dem Hannoveraner Kriminologen Pfeiffer diagnostizierte Geringachtung von individueller Freiheit und liberalen Menschenrechten zugunsten eines völkisch-kollektiv geprägten Gleichheitsdiskurses v. a. in Ostdeutschland.

Gegen diese diffuse „Amöbe“, wie Renate Künast den Rechtsextremismus beschreibt, helfen kleine alltägliche Gesten, Widerspruch und Zivilcourage, wo es einem möglich ist. Aber auch Politiker und staatliche Behörden müssen sich endlich von ihrer ausgeprägten Beschwichtigungsstrategie lösen und rechter Gewalt mit der gleichen Ernsthaftigkeit und Konsequenz entgegentreten, mit der andere Themen wie Steuer- oder Rentenreform angegangen werden. TOBIAS FEMBACHER, Berlin

betr.: „Bayern fordert NPD-Verbot“, taz vom 2. 8. 00

Mit ihrer Forderung nach NPD-Verbot will die CSU/CDU und anderswo die SPD einen rechten Konkurrenten aus dem Wahlkampffeld drängen, der ihnen die gewohnte Herrschaft über die rechte Stammtisch-Scene streitig macht. Mit „Das Boot ist voll!“-Parolen und mit Unterschriften gegen Ausländer wie in Hessen gewinnt man seit eh und je Wahlen in diesem Land. Die CSU ist in dieser menschenverachtenden Propaganda Marktführer und der Wahlerfolg gibt ihr Recht. Beschimpfung der Homosexuellen, Kriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs und Schüren allgemeiner Fremdenangst garantieren Wahlsiege. Fremdenverachtung war in der Provinz immer vorhanden.

Schulen, Polizei, Justiz ignorieren die deutlichen verbalen und tätlichen Angriffe. [...] Das war immer so, seit ich in diesem Lande lebe. Es war nicht so öffentlich wie im Osten. Hat ein Farbiger in Stuttgart vor 30 Jahren leicht ein Zimmer bei einer Kirchgängerin bekommen? Sie fühlen sich sicher in einer schweigenden Sympathie-Hierarchie.

„Dort läuft Scheiße!“, sagt ein 14-Jähriger und wartet auf das Lachen, wenn ein Farbiger vorbeiläuft. In seinem erzieherischen Umfeld bekommt er dafür Beifall. Die Eltern kaufen ihm auch die Springerstiefel zum Geburtstag und finden nichts dabei, denn die Mutter ist Erzieherin im Kindergarten. Das ist im Westen. Gut katholisch. In Religion hat er eine Eins. Dies ist das reale Umfeld. Keiner findet was dabei. LUDWIG BERGER, Buchen

In der Diskussion um ein mögliches Verbot der NPD beweist die heute staatstragende politische Prominenz mit wenigen Ausnahmen erneut ihre fehlende Handlungsbereitschaft gegenüber dem Neofaschismus in Deutschland.

Die zutreffende Annahme, dass Mitglieder einer verbotenen Partei in den Untergrund gehen oder sich andere Organisationen schaffen könnten, galt schon immer, sowohl beim KPD-Verbot in den Fünfzigerjahren als auch beim PKK-Verbot in den Neunzigerjahren. Bei diesen Gelegenheiten war das politische Interesse der Staatspolitiker von gestern an einem Verbot offenbar groß genug, um Polizei, Justiz und Geheimdiensten die Bekämpfung möglicher Nachfolgeorganisationen zutrauen zu können.

Die lahme Rhetorik, besser als ein Verbot der NPD wäre deren Ächtung durch ein offenes, sicher wünschenswertes Bekenntnis der Bevölkerung zu Demokratie und Menschenrechten, ist nicht Ausdruck staatsmännischer Weitsicht, sondern die Folge der mangelnden antifaschistischen Tradition der Innenpolitik und des Justizsystems unserer Republik. Wozu besonders beitrug, dass niemals verantwortliche Juristen des faschistischen Dritten Reichs für ihre im Amt begangenen Verbrechen gerichtlich belangt wurden, sondern ganz im Gegenteil im Nachfolgestaat Bundesrepublik Deutschland weiter Karriere machen konnten. Und mit ihnen Faschismus und Rassismus. HELGE FISCHER, Troisdorf

betr.: „NPD darf weitermachen“, taz vom 3. 8. 00

[...] Rechtsextreme operieren nicht im luftleeren Raum, sind nicht Verrückte ohne jeglichen Bezug zur Gesellschaft. Sie fühlen sich als „Vorhut“, als Vollstrecker dessen, was sich jeder anständige Deutsche klammheimlich wünscht. Das bedeutet auch, dass sie sich an der gesellschaftlichen Meinung orientieren und „nicht zu weit wegwagen“.

Eine effektive Bekämpfung des Rechtsextremismus muss „in der Mitte“ der Gesellschaft, vor allem bei den Einstellungen der „Normalbürger“ gegenüber Ausländern, Andersfarbigen, Andersartigen beziehungsweise der Einzigartigkeit des deutschen Volkes ansetzen. Die Deutschen sind ein Volk unter vielen, sind nicht besser, aber auch nicht schlechter als andere, und haben nicht das Recht, andere als minderwertig zu betrachten und zu behandeln. Erst wenn allen Rechtsextremen klar ist, dass da keiner mehr ist, der sich klammheimlich freut, wenn Menschen anderer Farbe, Herkunft oder Religion eingeschüchtert, verprügelt oder getötet werden, ist der Rechtsextremismus wirklich nur noch ein isolierter Irrweg einiger Gestriger und lässt sich durch Androhung von Strafe effektiv bekämpfen. U. ZIMMER, Berlin

Die Redaktion behält sich den Abdruck sowie das Kürzen von Briefen vor. Die erscheinenden LeserInnenbriefe geben nicht notwendigerweise die Meinung der taz wieder.

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