Rechter Europawahlkampf in Österreich: FPÖ orakelt über "islamische Gefahr"
Mit populistischen aggressiven Parolen versuchen die Freiheitlichen den anderen Parteien Stimmen bei der Europawahl abzujagen. Offenbar mit Erfolg.
WIEN taz | "Abendland in Christenhand". Dieser flächendeckend plakatierte Spruch der FPÖ wurde zum zentralen Aufreger im EU-Wahlkampf in Österreich. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache gefällt sich in der Pose des Kreuzritters, der Europa nicht nur vor einem Beitritt der Türkei, sondern auch vor der Islamisierung durch Einwanderung zu schützen verspricht. Parteien und Kirche haben die Auftritte des Rechtspopulisten verurteilt. Doch Umfragen zeigen, dass die aggressive Werbestrategie auf fruchtbaren Boden fällt.
Die passenden Anlässe werden schnell gefunden: Im Wiener 20. Bezirk, einem durch starke Zuwanderung geprägten Stadtteil, hatte eine Bürgerinitiative für den 11. Mai gegen den Ausbau eines muslimischen Gebetshauses und Veranstaltungszentrums zu einer Demonstration aufgerufen. Es ging um voraussichtlich steigendes Verkehrsaufkommen und Lärmbelästigung. Gegen einen Bau 200 Meter entfernt hätte die Initiative keinen Einwand, versicherte deren Sprecherin. Sie hatte aber nichts dagegen einzuwenden, dass Heinz-Christian Strache die Tribüne erklomm. Mit einem Holzkreuz in der Hand wetterte er gegen muslimische Unterwanderung und wachsende Parallelgesellschaften.
Bundeskanzler Werner Faymann, SPÖ, zieh Strache, als "Hassprediger" die Menschen aufzuhetzen. Selbst Kardinal Christoph Schönborn fand bei seiner Predigt zu Christi Himmelfahrt deutliche Worte: Das Kreuz als "Zeichen der Versöhnung und der Feindesliebe" dürfe nicht als "Kampfsymbol gegen andere Religionen" verwendet werden. Der langweile EU-Wahlkampf hatte plötzlich sein Aufregerthema. Der Historiker Gerhard Jagschit sah zwar in Strache nur "eine lächerliche Parodie" auf den Prediger Marco dAviano. Der Mönch und päpstliche Legat hatte während der Türkenbelagerung 1683 den Kampfesmut der christlichen Verteidiger aufgepeitscht. Sein Ziel habe Strache wohl erreicht, so Jagschitz: "Es ist ihm die genialste, wenn auch brutalste und unmoralischste PR-Aktion gelungen." Durch ihre eigene antiklerikale Geschichte ist die deutschnationale Bewegung zwar nicht prädestiniert, den mittelalterlichen Begriff des Abendlandes mit neuen Inhalten zu füllen, doch bei der folgenden Werbeaktion bewegte man sich auf vertrautem Terrain: "FPÖ-Veto gegen EU-Beitritt von Türkei und Israel." Israel sei zwar kein Beitrittskandidat, gab der Dritte Nationalratspräsident Martin Graf von der FPÖ jüngst in einer Fernsehdebatte zu, doch es könne nicht verboten sein, an die Zukunft zu denken. Den Vorwurf, antisemitische Vorurteile zu bedienen, wies er zurück.
Zwar distanzieren sich alle anderen Parteien von der Kreuzzugsrhetorik der FPÖ, doch sahen sich auch die Spitzenkandidaten der Regierungsparteien bemüßigt, dem EU-Beitritt der Türkei eine Absage zu erteilen. Umfragen geben Strache Recht. So werden der FPÖ, derzeit mit einem Abgeordneten in Brüssel vertreten, drei Sitze vorausgesagt.
RALF LEONHARD
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