Rechte Wahlhilfe: CDU-Bürgermeister dank NPD
In der Kreisstadt Wurzen wurde Gerald Lehne wahrscheinlich von zwei NPDlern mitgewählt. Dabei beteuerte die Sachsen-CDU, nie mit den Neonazis zusammenarbeiten zu wollen.
BRÜSSOW taz | Diesen Samstag, den 1. August, beginnt die zweite Amtszeit des Bürgermeisters der Großen Kreisstadt Wurzen in Sachsen, Gerald Lehne (CDU). Die NPD in Wurzen behauptet, er sei nur wiedergewählt worden, weil zwei NPDler für ihn gestimmt hätten. Sie bietet sich auch für die Zukunft als verlässlicher Partner für die CDU im Stadtrat an.
Dass der parteilose Oberbürgermeister Jörg Röglin, die Stadtverordneten von SPD und Linkspartei bei der Wahl im Mai nicht für den CDU-Kandidaten stimmen würden, war klar. Der CDU-Fraktion selbst fehlten mit 14 bei der Wahl anwesenden Stadträten zwei Stimmen zur absoluten Mehrheit. Trotzdem wurde die Wahl durchgeführt, und ihr Kandidat kam auf genau 16 Stimmen.
Der Wurzener SPD-Stadtrat Peter Konheiser hält es nicht für unwahrscheinlich, dass die Aussage der NPD stimmt: "Noch kurz vor der geheimen Wahl hat der Vorsitzende der NPD-Fraktion Wolfgang Schroth bei Gerald Lehne nachgefragt, wie er sich denn verhalten würde, wenn er beide NPD-Stimmen erhielte." Der habe darauf nur ausweichend geantwortet.
Schon 2004 brachte die Wurzener CDU den Haushalt nur dank der Stimmen der NPD durch den Stadtrat. Nun darf diese sich dank CDU erneut als normale demokratische Partei darstellen. Damit wird auch eine Vereinbarung mit der SPD gebrochen, eine Beschlussfassung auszuschließen, "die nur durch eine Mehrheit mit den Stimmen der NPD möglich wäre".
Bürgermeister Lehne wurde nun von den nicht im Stadtrat vertretenen Grünen aufgefordert, diesen Mangel durch die Vertrauensfrage zu beheben. Dies lehnt Lehne ab. Dass eine CDU-Fraktion die NPD derartig gezielt als Mehrheitsbeschafferin nutzt, ist bisher aus anderen Kommunalparlamenten Sachsens nicht bekannt.
"Nie wird ein CDU-Politiker in Sachsen mit der NPD stimmen", hatte der sächsische CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer vor knapp einem Jahr gegenüber der taz gesagt. Dass diese Aussage kurz nach den sächsischen Kreistagswahlen sehr hoch gegriffen war, beweisen aber nicht nur die Vorgänge in Wurzen.
Bei der konstituierenden Sitzung des Kreistags Nordsachsen wurden NPD-Kreisräte in zwei Ausschüsse gewählt. Da nur drei NPD-Kreisräte anwesend waren, müssen bei beiden Abstimmungen mindestens zwei Kreisräte anderer Parteien für die NPD gestimmt haben.
Besonders im Kreistag von Meißen durfte sich die NPD immer wieder über Stimmen aus anderen Fraktionen freuen. Zuletzt erhielt zur Wahl des Aufsichtsrates der gemeinnützigen, kreiseigenen Firma Meisop der NPD-Mann zehn Stimmen, obwohl die Partei nur fünf Abgeordnete hat, und wurde in den Aufsichtsrat gewählt.
Bei der Wahl zum Ausländerbeauftragten des Kreises Bautzen im Dezember 2008 hatte der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Henry Nitzsche laut NPD 13 Stimmen erhalten und damit mindestens vier Stimmen von Kommunalparlamentariern, die nicht seinem Wahlbündnis "Arbeit Familie Vaterland" oder der NPD angehören.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin