: Rechte Rechts-Gehilfen
■ Als "Deutsches Rechtsbüro" vernetzte Anwälte bieten verstärkt juristische Beratung und Vertretung für Neonazis und Konsorten
vernetzte Anwälte bieten verstärkt juristische Beratung und Vertretung für Neonazis und Konsorten
Rechtsradikale Anwälte, die Neonazis und faschistische Parteien beraten und verteidigen, wollen verstärkt kooperieren und haben in Hamburg das „Deutsche Rechtsbüro“ gegründet. Das berichtet der „Kölner Stadt-Anzeiger“ — offensichtlich gestützt auf Informationen des Kölner Bundesamts für Verfassungsschutz. Hamburgs Verfassungsschutzchef Ernst Uhrlau wollte gegenüber der taz keine Angaben machen. Dem Abendblatt gestand Uhrlau allerdings: „Uns ist das Deutsche Rechtsbüro, das juristische Beratung für die rechte
1Szene anbietet, bekannt.“
Das „Deutsche Rechtsbüro“ wurde bereits im vorigen Jahr gegründet und annonciert seit Monaten in rechtsradikalen Blättern wie „Das freie Forum“, „Nation und Europa“ oder „Deutsche Rundschau“. Unter einer Hamburger Postfachadresse bietet das Büro juristische Schulungen im norddeutschen Raum, die Überprüfung von Neonazischriften an oder vermittelt einen Verteidiger „in Ihrer Nähe“, falls Neonazis in die Klauen der Justiz geraten sind.
Im hauseigenen Archiv des Rechtsbüros befinden sich Urteile zu allen einschlägigen Straftatbeständen, von denen sich Rechtsradikale tangiert fühlen. Nach Informationen des Stadt-Anzeigers wird das „Deutsche Rechtsbüro“ von der Hamburger Juristin Gisa Pahl geleitet. Sie wurde Mitte der 80er Jahre vom Verfassungsschutz als „Hauptaktivistin“ des rechtsradikalen, inzwischen aufgelösten „Bund heimattreuer Jugend“ geführt. Eine Stellungnahme der Anwältin war gestern nicht zu erhalten.
Ihren letzten Schliff hat Gisa Pahl beim bekannten Neonazi-Anwalt Jürgen Rieger erhalten, in dessen Kanzlei sie mehrere Jahre gearbeitet hat. Rieger hat unter anderem die Neonaziführer Michael Kühnen und Meinholf Schönborn verteidigt. Der 1991 verstorbene Kühnen hatte die militante „Aktionsfront Nationaler Sozialisten“ (ANS) geleitet, Schönborn war Chef der ebenfalls verbotenen „Nationalistischen Front“. Auf das Konto beider Neonazi-Kampftrupps gehen diverse neofaschistische Überfälle und Anschläge.
Zuletzt sorgte Rieger in Hamburg und Itzehoe für Aufsehen. In Hamburg verteidigte er im vorigen Jahr den Skinhead Markus Helms, der zusammen mit anderen Glatzen 1991 einen jungen Türken in Bergedorf fast totgeschlagen hatte. Helms steht in Verdacht, damals Verbindungsmann zwischen der militanten „Nationalen Liste“ (NL) um die Hamburger Christian und Ursula Worch sowie Thomas Wulff gewesen zu sein. Vor wenigen Wochen verteidigte Rieger Musiker der Skingruppe „Kraftschlag“, die aufgrund rassistischer Texte wegen „Volksverhetzung“ und „Aufruf zur Gewalt“ angeklagt waren. Rieger neigt zu offensiven Verteidigungsstrategien und propagiert rechtsradikale Thesen — so auch in Itzeoe. Rieger: „Punkgruppen rufen schließlich auch zur Gewalt gegen Skins auf.“
Nach einem Bericht der jüngsten Ausgabe des „Instituts für Sicherheitsdienste“ ist die „Vernetzung rechtsextremer Anwälte“ — die seit 1979 vom Verfassungsschutz beobachtet wird — bereits weit fortgeschritten. Mit von der Partie sind auch Klaus Göbel, der den englischen Geschichtsfälscher David Irving vertrat, sowie Ludwig Bock, Verteidiger der im Majdanek Prozeß wegen vielfachen Mordes angeklagten Hildegard Lächert („Die blutige Brygida“). Zu Bocks Mandanten gehört auch der NPD-Chef Günter Deckert.
Um aufsehenerregende Prozesse und Niederlagen zu vermeiden, empfiehlt das „Deutsche Rechtsbüro“ ihrer rechtsunkundigen rechten Klientel, alle Leserbriefe, Flugblätter, Schriften und Veröffentlichungen durch einen „vertrauenswürdigen Anwalt“ prüfen zu lassen. Die Hanseatische Rechtsanwaltskammer sieht dem Treiben zwar mit Argwohn zu, ihr sind aber die Hände gebunden. Geschäftsführer Hartmut Scharmer: „Das Deutsche Rechtsbüro untersteht nicht unserer Berufsaufsicht.“ Nach dem jetzigen Erkenntnisstand kann die Kammer nichts unternehmen. Scharmer: „Das Versenden von Urteilen ist erlaubt, da sind uns die Hände gebunden.“ Magda Schneider
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