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Archiv-Artikel

Recht kennt keine Tabus KOMMENTAR VON EDITH KRESTA

Höchststrafe für den Mörder Vincent van Goghs. Der Rechtsprechung wurde Genüge getan. Dass van Gogh mit seinen künstlerischen Produktionen und Äußerungen die Gefühle der Muslime verletzt haben soll, spielt bei dem Urteilsspruch keine Rolle. Keine Rolle spielt auch bei der Verurteilung von Ehrenmördern beispielsweise in Deutschland der kulturelle Hintergrund der Täter, ihr wie auch immer gearteter kultureller Ehrbegriff. Das ist gut so. Alles andere wäre fatal und falsch.

Recht muss Recht bleiben in einer offenen Gesellschaft, ohne Rücksicht auf kulturelle Differenz oder kulturelle Tabus. Das ist das Gebot aufgeklärter Gesellschaften. Dem muss sich der muslimische Patriarch mit vier Ehefrauen genauso beugen wie der italienische Mafioso. Gesetze verteidigen und verfestigen kulturelle Standards. Diese Standards sind Errungenschaften der westlichen Gesellschaften, an denen auch die Taten der Einwanderer gemessen werden müssen. Das Bürgerliche und das Strafgesetzbuch stellen verbindliche Leitlinien des Zusammenlebens dar. Eine Handlung, die deren Prinzipien widerspricht, ist nicht akzeptabel.

Auf dieser Basis müssen schwerwiegende Konflikte des Zusammenlebens verhandelt werden. Bei kulturellen Konflikten spielen verletzte Tabus häufig eine Rolle. Aber Tabus dürfen auch hinterfragt und kritisiert werden, wenn sie überholte Machtstrukturen schützen. Die Tabuisierung des Körpers der Frau, die van Gogh anprangerte, dient dem Machterhalt fundamentalistischer Muslime. Solche Tabus, die verschleiern, um zu manipulieren, müssen entschleiert werden. Nichts anderes hat van Gogh getan.

Vielleicht nimmt dieser Urteilsspruch denen den Wind aus den Segeln, die nicht wollen, dass auf andere Werte Rücksicht genommen wird, und die nun das Scheitern der multikulturellen Gesellschaft propagieren. Doch die multikulturelle, offene Gesellschaft ist eine Tatsache. Ihre Widersprüche ebenso. Diese müssen auch rechtlich geklärt werden. Neue Gesetzentwürfe gegen Zwangsheirat oder Hassprediger setzen sich allemal konstruktiver mit kulturellen Konflikten auseinander als diffuse Ressentiments.