: Rebmann schießt gegen Braunmühls
■ Der Generalbundesanwalt ist zehn Jahre im Amt und zog Bilanz / Keine Bereitschaft zum Dialog
Von Felix Kurz
Karlsruhe (taz) - Generalbundesanwalt Kurt Rebmann hat die Brüder des erschossenen Diplomaten Gero von Braunmühl wegen ihrer Bereitschaft zum Dialog mit RAF–Mitgliedern kritisiert. „Mit dem Angebot zum Dialog mit Terroristen, wie ihn die Herren von Braunmühl nach der Ermordung ihres Bruders vorgeschlagen haben, lassen sich die für uns gefährlichsten Terroristengruppierungen nicht aufbrechen“, sagte Rebmann vor der Presse in Karlsruhe. Seiner Meinung nach sind die „Mitglieder des harten Kerns der RAF“ durch „ein Angebot zum Dialog - wie sollte er auch stattfinden - nicht ansprechbar“. In außergewöhnlicher Manier griff Deutschlands oberster Fahnder (wie immer mit knallrotem Kopf) die Gebrüder von Braunmühls in einem weiteren Punkt an. Er rügte ausdrücklich die „Entscheidung der Herren von Braunmühl“, den Geldbetrag aus der Verleihung des Gustav–Heinemann–Preises an den Rechtshilfefonds zugunsten von Peter–Jürgen Boock. Schließlich habe das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart durch Zuerkennung von Gebühren und Auslagen an drei Pflichtverteidiger mehr als 800.000 DM „in rechtsstaatlich einwandfreier Weise gewährleistet“. Rebmann: „Was sollen daneben 20.000 DM für den Rechtshilfefonds für Boock?“. Das hätte er durchaus wissen können. In seiner Rede zur Preisverleihung hatte Carlchristian von Braunmühl die Weitergabe des Geldes an den Rechtshilfefonds begründet. Fortsetzung auf Seite 2 Anläßlich der Preisübergabe sagte von Braunmühl u.a.: „Wir wollen dazu beitragen, daß das Verfahren weitergehen kann und hoffen, daß ein Urteil gefunden wird, das als ein Signal zur Versöhnung zu verstehen ist und zeigt, daß der Appell Hört auf! Kommt zurück! nicht zynisch gemeint ist...“ Das Geld wird also für eine weitere Revision verwandt. Peter–Jürgen Boock war durch das OLG Stuttgart zu lebenslänglicher Haft verurteilt worden. Er war aus der RAF „ausgestiegen“, ohne allerdings mit der Bundesanwaltschaft zusammenzuarbeiten. Boock bestritt im übrigen weitgehend die ihm zur Last gelegten Taten wie die Beteiligung an den Ermordungen des frühern Chefs der Deutschen Bank, Jürgen Ponto, und des Arbeitgeberpräsidenten Schleyer und seiner vier Begleiter. Sein Dialogvorschlag ist stattdessen eine Kronzeugenregelung wie sie bereits in Italien, USA oder Frankreich existiert. Mit einem solchen Instrument ließe sich „der harte Kern der RAF oder jedenfalls das sie unmittelbar umgebende Umfeld aufbrechen“. Daneben benötige man, so der Generalbundesanwalt, zur „Bekämpfung des Terrorismus im Vorfeld“ auch möglichst bald ein Vermummungsverbot, das als „passive Bewaffnung“ unter Strafe gestellt werden müsse. Gewalt gegen Personen und Sachen - vor allem gegen Polizisten und Fahrzeuge der Sicherheitsbehörden - seien nach seiner Erfahrung „häufig typische Einstiegsdelikte in den Terrorismus, zumindest in das terroristische Umfeld“, sagte Rebmann. Rebmann zog gestern auch ein Resumee seiner inzwischen zehnjährigen Amtszeit. Im Bereich des „Rechtsterrorismus“ könne er zufrieden sagen, „alle bundesdeutschen rechtsterroristischen Vereinigungen“ seien „in den letzten zehn Jahren zerschlagen worden“. Derzeit führt Rebmann im Fall von Odfried Hepp nur ein einziges Verfahren gegen einen „Rechtsterroristen“. Insgesamt hatte die Bundesanwaltschaft in den letzten zehn Jahren 74 rechtsradikale Personen festnehmen lassen. Anders sei die Lage im Bereich des „Linksterrorismus“. Hier wurden auf seine Veranlassung im gleichen Zeitraum 163 Personen festgenommen. Nach wie vor steht für ihn „die Bekämpfung der RAF, insbesondere der Kommandoebene und der Illegalen Militanten als Mitglieder“ der RAF im Vordergrund, so Rebmann. Nach seinen Erkenntnissen und auch aus Funden in einem Bauernhaus in Vitry–aux–Loges in Frankreich geht die Bundesanwaltschaft davon aus, daß sich die RAF im westlichen Ausland zumindest Ruheräume und Ausgangsbasen geschaffen habe. Deshalb hält Rebmann die Schaffung einer zentralen europäischen Institution der Polizei mit europaweiter Kompetenz für dringend erforderlich. „In absehbarer Zeit“ erwartet die Bundesanwaltschaft, daß die RAF versuchen werde, die seit vielen Jahren erhobene Forderung nach „Zusammenlegung der Gegangenen aus RAF und Widerstand“ durch schwere Straftaten der Kommandoebene und der „Illegalen Militanten“ durchzusetzen.
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