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Real existierende Relativitätstheorie

■ betr.: "Linker Katzenjammer - ein Jahr nach der Revolution", taz vom 2.10.90

betr.: „Linker Katzenjammer — ein Jahr nach der Revolution“,

taz vom 2.10.90

Zugegeben, Reinhard Mohr hat zwar noch nicht einmal die lateinische Grammatik kapiert; aber dafür ist er ein genialer Illustrator der real existierenden Relativitätstheorie.

Der „Staatsterror“ und die „alltägliche Repression“ des Realsozialismus dienen dem taz-Redakteur als Ausgangspunkt für einen Lobgesang auf die westdeutsche „Zivilität“ und „Freiheit“. Und die „kapitalistische Marktwirtschaft“ erhebt er zum „konkurrenzlosen Modell“, weil es 72 Jahre nach der Oktoberrevolution „Brotmangel“ in Moskau gibt.

Diese unglaublichen Denkleistungen verdanken sich dem unverbildeten Alltagsverstand des zeitgeistwendigen Journalisten aus Frankfurt am Main: Weil es den Leuten andernorts noch dreckiger als denen hierzulande geht, sind die hiesigen Verhältnisse geradezu paradiesisch.

Dergestalt eskamotiert unser real existierender Relativitätstheoretiker selbst die längsten Schatten aus dem kapitalistischen Paradies; beispielsweise den unglücklichen Umstand, daß etwa 90 Prozent der Leute, die den Segnungen der kapitalistischen Marktwirtschaft ausgesetzt sind, permanent an Brotmangel leiden. [...] Franz Anger, Neuss

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