■ Reaktionen zu den Bisky-Kommentaren : Keine fruchtbare Debatte
betr.: „Bisky scheitert und gibt auf: Die Operation Rufmord ist geglückt. Diese Mehrheit ist infam“, Kommentar von Bettina Gaus, taz vom 9. 11. 05
Es ist tatsächlich einfach nur ekelhaft, was sich erwachsene Menschen da leisten. SIGRUN ZÜHLKE, Kleinfeld
Das Scheitern von Bisky ist nach einhelliger Meinung der Medien entscheidend auf das Abstimmungsverhalten von CDU/CSU zurückzuführen. Die Union war nicht immer derartig mit Skrupeln behaftet, hat sie doch in den Anfangsjahren der BRD viele ehemalige Nazis integriert, die teilweise obendrein auch noch Karriere machten.
Jetzt lehnt man viele Jahre nach der so genannten Wiedervereinigung einen honorigen Mann ab, weil er sich erdreistet, in der BRD an führender Stelle politisch tätig zu sein, obwohl er SED-Mitglied war und sich dessen nicht einmal schämt. Es ist ekelhaft, schreibt Bettina Gaus. Bravo, Frau Gaus! KLAUS WASSERLOOS, Solingen
Das hat nichts mit Demokratie zu tun, sondern mit Mobbing. Ein schier unglaublicher Vorgang! Es geht nur darum, eine linke Bewegung auf allen Ebenen kaputtzumachen. Immerhin ist die Linke die drittstärkste Fraktion im Bundestag. Wieder ein deutliches Beispiel, dass die Menschen mit ihren Wahlentscheidungen nicht für voll genommen werden. HANS-DIETER HEY, Köln
Wie kann man den Delegierten einer gewählten Volkspartei in einer Demokratie so ausgrenzen. Es ist ein schwarzer Tag für die deutsche Demokratie, die Feinde der Demokratie haben gesiegt und Deutschland der Diktatur etwas näher gebracht. FRED KASULKE, Berlin
Eine große Koalition von Abgeordneten mit fehlendem politischem Anstand hat sich im Deutschen Bundestag viermal selbst bestätigt. Eine unanständige Koalition von Strukturvergessenden herrscht im deutschen Parlament. Mit weiteren Demonstrationen parlamentarischen Rowdytums muss wohl gerechnet werden.
HELMUT M. SELZER, Pappenheim
Es ist unglaublich, dass eine Partei wie die SPD nicht für Lothar Bisky als Vizepräsidenten des Bundestages gestimmt hat. Lieber, so hat es den Anschein, steht die SPD Gewehr bei Fuß, wenn es darum geht, die Partei zu unterstützen, die seit dem Entstehen der Bundesrepublik Deutschland immer dann mit Ja gestimmt hat, wenn es darum ging, alte Nazis in Rang und Würden zu bringen. Genau dieser Nachkriegs-CDU reicht man die Hand, die von Filbinger bis Carstens immer den Leuten geholfen hat, die unsagbares Leid, Auschwitz, 50 Million Tote und die Zerstörung Europas mitzuverantworten hatten. Aber einem Lothar Bisky verwehrt man das.
THOMAS KLIKAUER, Sydney, Australien
betr.: dito, „Altlasten der Republik, Kommentar von Nick Reimer, taz vom 10. 11. 05
Wenn meine Frau mit mir frühstückt, wird neuerdings das Info-Radio ausgestellt (Bayern 5 wird’s verzeihen), und ich lese aus der neuesten taz vor. Besonders gerne natürlich die Meinungen auf Seite 11. Wir schätzen deren Ausgewogenheit. Der Gegenüberstellung verschiedener politischer Ansichten gibt Ihre Redaktion mehr Raum als allgemein üblich. Das ist gut so.
Nick Reimers „Altlasten der Republik“ sollten wohl der Meinung von Bettina Gaus gegenübergestellt werden, um eine fruchtbare Diskussion zum Fall Bisky zu provozieren. Es wurde aber keine fruchtbare, sondern eine furchtbare Diskussion. Ein hoffentlich fruchtloser Versuch, den deutsch-deutschen Graben zu vertiefen, statt einzuebnen. Platter, rückwärts gewandter Antikommunismus kann keine ernst zu nehmende Antwort auf die Klagen von Frau Gaus sein, die die erneute Ablehnung des Kandidaten Bisky als infam bezeichnete.
Ich bin ab sofort leider gezwungen, am Frühstückstisch nur das aus der taz vorzulesen, was ich vorher selbst gelesen habe. Denn wer möchte sich schon seine geliebte Morgenzeremonie vergällen lassen. REINHARD MÜCK, Weidach b. Coburg
Bisky in eine Reihe mit Globke, Filbinger, Kiesinger zu stellen: Bei Nick Reimer scheinen die Sicherungen durchgeknallt. Diese gefährliche Verharmlosung und Relativierung der Nazis durch Vergleich mit der SED kannte ich bisher nur von ganz rechts.
WINFRIED SCHNEIDER, Düsseldorf
Der Vorsitzende der Linkspartei wurde also nicht gewählt. Zur gleichen Zeit wird über Panzerlieferungen an die Türkei mit Mehrheit abgestimmt. Was sind das für Volksvertreter, die die einfachsten Regeln der Demokratie missachten, aber reaktionären Waffenlieferungen zustimmen? KARL-HEINZ KAMMERTÖNS, Dortmund
Selten habe ich in der taz einen so schwachen, oberflächlichen und unverschämten Kommentar gelesen. Er wird weder der Person/Biografie Biskys noch der Geschichte und den damaligen Zuständen in der Ex-DDR gerecht und verharmlost darüber hinaus die Aufarbeitung der NS-Geschichte, die in der BRD nie stattgefunden hat (siehe Filbinger und Kiesinger). Dafür soll sie aber nun an Bisky vollzogen werden? BURKHARD MICHAEL RIEDEL, Köln
Die enge Fokussierung auf die Stasispitzel verkleistert die DDR-Geschichte. Es gab da auch viele Dogmatiker, die aufrechte Bürger schikaniert haben, ohne SED-Parteibuch und bei der Stasi engagiert zu sein. Etliche von denen, teilweise alte Blockflöten, dienen jetzt bei CDU und FDP, ohne durch zudringliche Fragen nach ihrer Vorgeschichte belästigt zu werden.
Eine wirklich saubere Aufarbeitung der DDR-Geschichte, die konsequent nach persönlicher Verantwortung, aber auch Zivilcourage fragt, steht noch aus, und Beiträge wie der von Reimer, die alles auf die IMs reduzieren, helfen, eine solche Aufarbeitung zu verhindern und die Diktaturgehilfen, die nicht bei der Stasi gelistet waren, weißzuwaschen. LEONHARD KASEK, Leipzig
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