Reaktionen auf von Beusts Rücktritt: "Bürgerliche Null-Bock-Generation"
Hamburgs SPD rechnet nach dem Abgang Ole von Beusts mit einem Regierungswechsel. Die Grünen wollen aber vorerst mit der CDU weiterregieren. Schavan begrüßt das Scheitern der Schulreform.
HAMBURG apn | Nach dem Rücktritt des Hamburger Ersten Bürgermeisters Ole von Beust und der gescheiterten Schulreform wird heftig über die Zukunft der schwarz-grünen Koalition in der Hansestadt diskutiert. Die SPD erneuerte ihre Forderung nach Neuwahlen. Die Grünen dagegen sehen vorerst kein Ende der Regierung.
Mit dem Abtritt des seit neun Jahren an der Spitze des Senats stehenden von Beusts verliert die CDU innerhalb eines Jahres den sechsten Ministerpräsidenten. Gleichzeitig scheiterte die von der Landesregierung geplante Schulreform, das zentrale Projekt der schwarz-grünen Koalition, am Widerstand der Bürger. Bei dem Volksentscheid setzten sich die Gegner klar durch.
Der Vorsitzende der Hamburger SPD, Olaf Scholz, rechnet nach eigenen Worten indes fest mit einem Regierungswechsel in der Hansestadt. Die Grünen seien die Koalition mit von Beust an der Spitze eingegangen. Das habe sich geändert, sagte der SPD-Politiker im SWR. Von Beust habe die Hamburger mit seinem Rücktritt düpiert. Viele hätten bei der vergangenen Wahl nur seinetwegen die CDU gewählt. Daher könne man nicht mit einem neuen Ersten Bürgermeister weitermachen. Die CDU habe keine Mehrheit mehr.
Der Grünen-Bundesvorsitzende Cem Özdemir kritisierte zwar den Rückzug des 55-Jährigen scharf, sieht aber zunächst kein Ende der schwarz-grünen Koalition. "Wenn der Kapitän mitten im Sturm von Bord geht, ist das nicht gerade ein gutes Signal", sagte Özdemir im RBB. Damit sei ein Projekt gescheitert, aber nicht die Koalition. Allerdings wollten sich die Grünen von Beusts voraussichtlichen Nachfolger, Christoph Ahlhaus, und dessen Politik zuerst genau anschauen. "Wenn es allerdings so ist, dass Herr Ahlhaus einen Kurswechsel vorhat oder auf Krawall gebürstet ist, dann gehen wir in Neuwahlen", sagte Özdemir dem Sender N24.
Bei Özdemirs Kollegin an der Grünen-Spitze, Claudia Roth, kam die Rücktrittserklärung Ole von Beusts überhaupt nicht gut an. "Ole von Beust hat gesagt, er steht als Person hinter einer modernen schwarz-grünen Politik. Jetzt schmeißt er auf Sylt die Brocken hin", sagte Roth am Montag im NDR.
Sie wundere sich über die Einstellung der Bürgerlichen. "Da ist so eine richtige bürgerliche Null-Bock-Generation entstanden." Ein Fortbestand der schwarz-grünen Regierung in Hamburg sei möglich, wenn sich die CDU in der Hansestadt zu ökologischen und sozialen Zielen bekenne.
Bundesbildungsministerin Annette Schavan bewertete das Scheitern der Reform als positives Signal für die Bildungspolitik. Es sei eine gute Nachricht für das Gymnasium und eine gute Nachricht für das Selbstbewusstsein der Bürger, sagte die CDU-Politikerin in der ARD. Vielleicht sei es auch ein Impuls dafür, dass jetzt über die wichtigen Fragen des Bildungssystems nachgedacht werde und "nicht jede Landesregierung findet, in dem Moment an dem sie an der Regierung ist, könne sie die Schulstruktur ändern".
Ähnlich äußerte sich der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer. Die ständige "Reformitis" müsse aufhören, sagte der CSU-Politiker der Bild-Zeitung. "In der Bildungspolitik muss endlich Ruhe einkehren. Das ist das Beste für Schüler und Eltern."
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