Reaktionen auf SPD-Vorschlag: „Offenbarungseid“ Steinbrück
„Troikadämmerung“, „deutlich pragmatisch“, „richtige Ansage“: Die Reaktionen auf die Kür Peer Steinbrücks zum SPD-Kanzlerkandidaten fallen gemischt aus.
BERLIN dapd | Außerhalb der SPD hat die Kür Peer Steinbrücks zum sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten für sehr gemischte Reaktionen gesorgt.
Während Regierungschefin und CDU-Chefin Angela Merkel die Nominierung am Freitag demonstrativ gelassen kommentieren ließ, werteten andere Politiker der schwarz-gelben Koalition Steinbrück als „Notlösung“ und bescheinigten den Sozialdemokraten Mutlosigkeit. Die Grünen, potenzieller Koalitionspartner der SPD, freuten sich hingegen über einen schlagkräftigen Gegenkandidaten für Merkel.
Die Kanzlerin selbst reagierte auf die SPD-Kandidatenkür gelassen. Merkel habe „überhaupt keine Vorlieben, was ihren Gegenkandidaten betrifft“, sagte ihr Sprecher Steffen Seibert. Sie werde mit ihrer erfolgreichen Regierungsbilanz in den Bundestagswahlkampf 2013 ziehen und ein schlüssiges Zukunftskonzept für Deutschland präsentieren.
Dobrindt spottet
Andere Unionspolitiker reagierten mit Spott auf die Nominierung: „Die SPD hat die ganzen letzten Monate rauszukriegen versucht, wer aus der Troika das kleinere Übel für sie ist“, sagte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt dem Münchner Merkur. „Aber nicht mal das hat sie geschafft.“
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Union im Bundestag, Michael Grosse-Brömer (CDU), bewertete die Entscheidung als Notlösung. „Troikadämmerung: Gabriel kann nicht, Steinmeier will nicht – da blieb nur einer übrig“, erklärte er über Twitter.
Der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Volker Wissing, twitterte: „Dass die SPD Steinbrück nominiert, zeigt, dass sie selbst nicht an einen Sieg glaubt. Sonst hätte Sigmar Gabriel nicht verzichtet.“
Grüne und FDP-Mann Kubicki begrüßen Nominierung
Anders äußerte sich der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki. Er sieht strategische Vorteile für die FDP in der Nominierung: „Ich glaube, dass Peer Steinbrück für die FDP neue Optionsräume eröffnet.“ Eine SPD unter Führung von Peer Steinbrück, könne deutlich pragmatischer sein, „als es die Ideologen der SPD gegenwärtig wahrhaben wollen“, sagte Kubicki.
Spitzenvertreter der Grünen trauten Steinbrück demonstrativ einen erfolgreichen Wahlkampf zu: Parteichef Cem Özdemir sagte der Welt, Steinbrück könne jemand sein, „der die Ansage macht, dass die SPD die Bundestagswahl nicht verloren gibt, sondern die Boxhandschuhe auspackt, um gemeinsam mit uns Grünen für eine rot-grüne Mehrheit zu kämpfen“.
Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Renate Künast, sagte der Leipziger Volkszeitung: „Die klare Zuspitzung ist die richtige Ansage an Angela Merkel.“ Der ehemalige Finanzminister Steinbrück eigne sich gerade in der Finanzkrise als Kandidat. Er könne den Wählern „die notwendige Sicherheit bieten“.
Steinbrück als Offenbarungseid der SPD
Die stellvertretende Vorsitzende der Linkspartei, Sahra Wagenknecht, ist hingegen vom voraussichtlichen SPD-Kanzlerkandidaten Steinbrück nicht überzeugt. "Steinbrück ist der Offenbarungseid der SPD", sagte sie der Frankfurter Rundschau. „Er ist das Eingeständnis, dass sie weiterhin für schlechte Renten, niedrige Löhne und lasche Bankenregulierung steht.“
Merkel bekomme nun „wieder einen Herausforderer, der in keinem wesentlichen Punkt für eine andere Politik steht“, sagte Wagenknecht. Auch Linkspartei-Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn betonte, Steinbrück sei „sicher nicht der Mann, der geeignet ist, nach zwei Niederlagen bei Bundestagswahlen einen Sieg zu fahren“.
Am Freitagnachmittag hatte SPD-Parteichef Sigmar Gabriel Steinbrück öffentlich als Kanzlerkandidaten vorgeschlagen. Am 9. Dezember soll nun ein Sonderparteitag in Hannover Steinbrück zum Kanzlerkandidaten wählen.
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