Rausschmiss wegen Renitenz?

MACHTKAMPF Die Charité-Tochter CFM begünstigt arbeitgeberfreundliche Betriebsratsmitglieder und drangsaliert kritische – sagen die Gewerkschaften. Sie mobilisieren im Fall einer außerordentlichen Kündigung, die vor dem Arbeitsgericht verhandelt wird

Zwei Geschichten sorgten gestern in Saal 505 des Berliner Arbeitsgerichts für Empörung. Die erste: Einem renitenten Betriebsratsmitglied der Charité-Tochter CFM soll außerordentlich gekündigt werden. Wegen Verleumdung. Aaron Williams habe behauptet – und das ist die zweite Geschichte –, die Geschäftsführung der CFM habe andere Betriebsratsmitglieder gekauft.

Williams ist Krankenwagenfahrer bei der CFM. 2010 wurde er in den Betriebsrat gewählt und dafür freigestellt. 2011 gehörte er dann zu denen, die mit mehrmonatigen Streiks einen Mindestlohn von 8,50 Euro für die CFM-Mitarbeiter erwirkten. Gleich danach hätten die Repressalien angefangen, sagte er der taz – mit Abmahnungen und schließlich einer Kürzung seiner Bezüge. Nach einer Betriebsversammlung in diesem September habe ihn dann die Geschäftsführung zum Gespräch gebeten und ihm die fristlose Entlassung angekündigt – wegen arbeitgeberfeindlicher Äußerungen. Tatsächlich, so Williams, habe er sich auf der Versammlung zu dem Verdacht geäußert, dass einzelne Betriebsratsmitglieder von der Geschäftsführung begünstigt worden seien. Von „Kaufen“ habe er nie gesprochen.

Das Arbeitsgericht hat nun zu entscheiden, ob dies für eine außerordentliche Kündigung reicht. „So einen Andrang habe ich hier noch nie erlebt“, sagte die Richterin, obwohl „es inzwischen zum tagtäglichen Geschäft gehört, dass Betriebsräte entlassen werden“. Weil die Gewerkschaften Ver.di und GKL mobilisiert hatten, passte nur die Hälfte der Besucher auf die Stühle im Saal, der Rest stand an den Wänden, die gelben Gewerkschaftswesten in den Händen.

Es komme immer wieder vor, dass Arbeitgeber Betriebsratsmitglieder und Gewerkschaftsaktive drangsalierten, so Ver.di-Gewerkschaftssekretär Maik Zigann zur taz. Aber dass ein unliebsamer Betriebsrat außerordentlich gekündigt werden soll, sei ein besonders eklatanter Fall. Das sorge auch bei anderen Betriebsräten der Stadt für Empörung – Mitarbeiter von Vivantes, der Charité und dem Jüdischen Krankenhaus bekundeten am Prozesstag ihre Solidarität. Bei der CFM selbst hätten die Mitarbeiter schon Angst, auch nur mit Betriebsratsmitgliedern gesehen zu werden, berichtet ein anderes Betriebsratsmitglied.

Von Arbeitgeberseite hieß es vor Gericht, man wolle „den Herrn Williams gar nicht loswerden“. Er solle sich nur entschuldigen und versichern, derartige Aussagen künftig nicht zu treffen. „Es kann aber nicht angehen, dem Angeklagten seine Meinung für die Zukunft zu verbieten“, erwiderte die Richterin. Der CFM-Vertreter begründete sein Begehren damit, dass der Vorwurf, die Geschäftsführung würde Betriebsratsmitglieder bestechen, völlig haltlos sei. Tatsächlich stehe dieser Verdacht seit Jahren im Raum, so Maik Zigann von Ver.di. Seine Gewerkschaft hat jetzt Strafanzeige gegen die Verantwortlichen der CFM wegen Begünstigung eines Betriebratsmitglieds gestellt. Ob die Staatsanwaltschaft dem nachgeht, bleibt abzuwarten, eine Stellungsnahme war am Montag nicht zu bekommen.

Auch ob Aaron Williams wegen seiner Äußerungen gekündigt werden darf, blieb gestern offen. Die Richterin vertagte und versprach für den nächsten Termin einen größeren Sitzungssaal. MANUELA HEIM