piwik no script img

Raumfahrt-Projekt in MoskauTrainingscamp für den Mars

Auch ein Deutscher will sich in Moskau für 105 Tage in ein Raumschiff einsperren lassen. Damit übt die Europäische Weltraumagentur den bemannten Flug zum Mars.

Ein bemannter Flug zum Mars ist noch undenkbar: Geprobt wird aber schon. Bild: dpa

Zunächst könnte man glauben, dass die Europäische Weltraumagentur ESA medialen Rummel in Form einer Daily Reality Soap veranstaltet. Bei der nun beginnenden Mission "Mars 500" werden sechs angehende Astronauten für 105 Tage in das Modell eines Raumschiffs gesperrt, das bereits im "Sternenstädtchen" in Moskau aufgestellt ist.

Die ESA, die dieses Experiment zusammen mit dem russischen Institut für biomedizinische Probleme veranstaltet, versichert, dass sie damit einen bemannten Flug zum Mars vorbereiten will. Ebenfalls in diesem Jahr soll, falls der erste Versuch erfolgreich verläuft, eine weitere Crew für 520 Tagen in eine Nachbildung einer Weltraumkapsel isoliert werden. So lange würde nach heutigem Stand der Technik eine Reise zum 55 Millionen bis über 100 Millionen Kilometer entfernten Roten Planeten inklusive Rückflug dauern.

Allerdings, auch das räumen die Verantwortlichen der ESA ein, selbst wenn Menschen psychisch in der Lage wären, die knapp zwei Jahre dauernde Odyssee zu überstehen, mit der technischen Umsetzbarkeit rechnet man erst in 20 Jahren. Dieser Zeitraum wird hartnäckig seit mehreren Dekaden von westlichen Staaten genannt. Demnach müsste es, von den Bekundungen aus den frühen 70er-Jahre ausgehend, bereits erste menschliche Siedlungen auf unserem Nachbarplaneten geben.

Das öffentliche Interesse hierzulande richtet sich auf den ersten Deutschen, der an der Mission "Mars 500" teilnehmen soll. Der Kandidat Oliver Knickel aus Eschweiler bei Aachen, der sich in den nächsten Wochen noch gegen einen französischen Mitbewerber durchsetzen muss, freut sich. "Ich bin in etwas eingebunden, was am Ende dazu führt, dass Menschen den Mars erreichen können."

Oliver Knickel war einer der 5.600 Bewerber, die sich auf die europaweite Ausschreibung meldeten. Knickel ist Hauptmann bei der Bundeswehr, Fallschirmjäger, Maschinenbauingenieur. Studiert hat er an der bundeswehreigenen Universität in Hamburg. Als persönliches Gepäck nimmt der Soldat nach eigener Aussage einen Laptop mit, gefüllt mit E-Books, Musik und Fotos. Natürlich, so erklärt der angehende Proband, werde es für ihn schwer, über 15 Wochen von der Freundin, Freunden und Familie getrennt zu sein. "Mit Sicherheit wird es Reibereien geben."

Die Raumschiffnachbildung verlassen können die insgesamt sechs Teilnehmer des Experiments nur in absoluten Notfällen oder auf ausdrücklichen persönlichen Wunsch.

Auch die Kommunikation zur Außenwelt ist eingeschränkt und den möglichen tatsächlichen Verhältnissen während einer Marsexpedition nachempfungen. Mit einer Verzögerung von bis zu 20 Minuten werden die elektronischen Daten zwischen Raumschiffmodell und Bodenstationmodell ausgetauscht. Die Antwort auf eine Frage dauert somit sogar doppelt so lange.

Auf engstem Raum müssen die Insassen über drei Monate das tatsächliche Leben im All nachspielen. Sie führen wissenschaftliche Experimente durch und sind dabei aber auch selbst Versuchsobjekte.

Wie reagieren Menschen in solchen Situationen auf Stress? Wie entwickelt sich die Gruppendynamik? Welche Möglichkeiten gibt es, um zukünftige Crewmitglieder psychologisch zu unterstützen?

Diese Fragen möchte die ESA klären, bevor sie sich mit der Herstellung eines flugtauglichen Raumschiffs beschäftigt. Auf die Idee, dass sie diese Untersuchungen auch als Medienpartner von RTL im australischen Dschungel hätte durchführen können, sind die Verantwortlichen bei den Europäischen Raumfahrern allerdings nicht gekommen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 / 
  • C
    Cati

    Der Mars... eine Wüste. Ein Planet mit rotem Sand und vielen Steinen, ohne Leben oder Vegetation.

    Mein Horizont reicht nicht aus zu begreifen, wie die Forschung Gelder in ein Projekt wirft, um einen toten Planeten bewohnbar zu machen, während ein bewohnter Planet tot gemacht wird. Wäre es nicht bedeutend billiger dafür zu sorgen, dass die Erde nicht irgendwawnn zu einem Mars wird, anstatt einen Mars zur Erde zu machen?

     

    Liebe Wissenschaftler, was auf der Erde Milliarden Jahre gedauert hat kann auch der Mensch, die Krönig der Schöpfung nicht mal eben so in 100 Jahren nachäffen. So viel Idealismus gibt es im gesamten Universum nicht.