Rauchverbot: Schöner Flickenteppich : KOMMENTAR VON CHRISTIAN SEMLER
Der gestern von den Bundesländern erzielte Kompromiss zum Rauchverbot – generelles Verbot, von Land zu Land variierende Ausnahmen – verdankt sich einer vernünftigen, pragmatischen Haltung. Damit ist aber nicht ein Meinungsstreit ausgeräumt, der den Föderalismus im Kern betrifft. Dieser Streit kann in einem Szenario zusammengefasst werden, das man längst tot geglaubt hat: der Angst vor der Bundesrepublik als „Flickenteppich“.
Wenn, so das Argument, unterschiedliche Regelungen zum Rauchen in Bars und Kneipen in den Bundesländern beschlossen würden, dann funktionsfähige föderale Ordnung ade. „Es wäre nicht vermittelbar“, so der SPD-Abgeordnete Binding, „wenn in einer Kneipe in Kassel das Rauchen verboten und im wenige Kilometer entfernten Göttingen wieder erlaubt wäre.“ Hilfe! Es droht ein Rückfall in Kleinstaaterei, falls keine einheitliche Verbotslösung gefunden wird!
Wenn einen Einwohner New Yorks die böse Rauchlust überkommt, nimmt er sich die Fähre nach Newark, kauft dort billigere Zigaretten und pafft. Bekanntlich haben die unterschiedlichen Regelungen über Erwerb und Verbrauch von Tabak in New York und New Jersey zu keiner Krise der bundesstaatlichen Ordnung geführt. Wie viel Föderalismus sind eigentlich unsere Verbots-Unitaristen bereit zu ertragen, wenn ihrer Meinung nach schon bei differenten Raucherregelungen in Kassel und Göttingen heillose Verwirrung und Chaos drohen?
Die Frage ist falsch gestellt, werden die Unitarier antworten. Denn hier gehe es nicht darum, hundert Blumen blühen, auf föderaler Ebene hundert Lösungen miteinander wetteifern zu lassen. Da Rauchen anerkanntermaßen schädlich ist, sind Ausnahmen vom Verbot irrational und können nicht Gegenstand eines gedeihlichen Wettbewerbs der Länder sein. Ein Argument der schiefen Ebene. Denn so notwendig und legitim es für den Staat ist, Nichtraucher vor Rauchern zu schützen, so illegitim und gefährlich kann es werden, die Bürger durch Gesetz vor Selbstschädigung in der Raucherkneipe zu bewahren. Denn was ist nicht alles schädlich für die Volksgesundheit in deutschen Landen und harrt weiterer Verbote?