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Rau kommt nach Brandenburg

...dann wird ihm nicht nur eitel Sonnenschein begegnen/ Zunehmende Skepsis im Osten  ■ Von Dorothee Stacke

Potsdam. Wenn der nordrhein- westfälische Ministerpräsident Johannes Rau (SPD) heute seinen viertägigen Besuch im Partner-Bundesland Brandenburg beginnt, wird ihm „im Osten“ nicht nur eitel Freunde entgegenschlagen. Das Engagement Nordrhein-Westfalens (NRW) wird in Berlin als auch in Brandenburg zunehmend skeptisch beäugt. Kritik wird in der nach der Regierungssitz- Entscheidung nun selbstbewußteren Hauptstadt Berlin allerdings nur hinter vorgehaltener Hand geäußert. Nachdem sich erste „zarte Bande“ zwischen Berlin und Brandenburg bildeten, wolle man dem eh angeschlagenen „Kolonialherren“ NRW nicht noch zusätzlich in die Seite treten, verlautete in der Berliner SPD- Fraktion. Auch die Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften in Berlin, vor wenigen Wochen noch eifrige Kritiker der „imperialen“ Politik Nordrhein-Westfalens, finden, es sei nicht an der Zeit, „Finger auf Wunden zu legen“.

Dabei kamen die Berliner in vielen Bereichen der brandenburgischen Politik zu kurz und führen dies auf den Einfluß Raus zurück. Der seit Monaten geplante Staatsvertrag mit Brandenburg wurde nicht abgeschlossen. Im April dagegen unterzeichnete das Bundesland mit NRW eine entsprechende Vereinbarung. Scheitern mußten die Berliner auch bei ihren Bemühungen um eine gemeinsame Rundfunkanstalt, Wirtschaftsförderungsgesellschaft, Landesinvestitionsbank und ein gemeinsames Landesarbeitsgericht.

Mit einem Personalkostenaufwand von rund sechs Millionen Mark im Landeshaushalt 1991 finanziert NRW derzeit etwa 750 bis 1.000 abgeordnete Beamte und Berater in Brandenburg, so Ulrich Kleiner von der NRW-Verbindungsstelle in Brandenburg. Nach einem zweiten Staatsvertrag zwischen beiden Ländern werde demnächst aus nordrhein-westfälischer Kasse nur noch die Differenz zwischen Ost- und Westgehalt gezahlt. Dazu erhielten die „Wessis“ monatlich 1.000 bis 2.500 Mark Aufwandsentschädigung („Buschzulage“), wöchentliche Heimfahrten und ihre Unterbringungskosten ersetzt [ich will auch! k.in]. 200 West-Beamte dienten allein der Landesregierung.

„Das ist wie in einem Entwicklungsland“, urteilt der Pressesprecher von der Bündnis-90-Landtagsfraktion, Helmut Müller-Engbergs. „Wenn die Helfer gehen, gibt es wieder die alten Strukturen. Neuruppin hat ohne Wessis die weitaus effektivste Verwaltung in Brandenburg“, meint er. Viele Helfer aus den alten Bundesländern hätten ihre Kenntnisse über Ostdeutschland nur vom „Pakete-Schicken“. Den nordrhein- westfälischen Einfluß sähen die Leute vom Bündnis überall, auch in schlechten Kopien. Weil man aber nicht überall aufpassen könne, konzentriere man sich auf das Wesentliche: Verfassungsschutz, Polizei, Bildung und Umwelt.

Am Gängelband seines NRW- Staatssekretärs Werner Ruckriegel (SPD) sehen sogar Freunde in der eigenen Fraktion Innenminister Alwin Ziel (SPD). Viele Zusagen des Ost- Ministers würden später wieder zurückgezogen. So gut wie alle Staatssekretäre in Brandenburg sind, mit Ausnahme von FDP-Mitglied Knut Sandler, im Wirtschaftsministerium Importe. Auch die Posten der Abteilungsleiter sind meist mit „Wessis“ besetzt. Selbst für komplette Programme reisen die West-Berater häufig erst gar nicht mehr an, räumt NRW-Berater Ulrich Kleiner in der Verbindungsstelle ein. So sei es beispielsweise beim Landesinstitut für Lehrerbildung gewesen.

Jüngste „Amtshilfe“ aus NRW ist Prof. Friedrich Halstenberg, von 1975 bis 1978 NRW-Finanzminister und danach bis 1984 Schatzmeister der Bundes-SPD. Er wird jetzt enger Berater des brandenburgischen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD). In seiner Verantwortung liegt bis ins kleinste Detail die gesamte Entwicklung des Bundeslandes, das sogenannte Aufbauprogramm. Dadurch soll laut Kleiner Stolpes Richtlinienkompetenz gegenüber den Ministerien gestärkt werden. dpa

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