: Rassismus bei Todesurteilen ok
■ Oberstes US–Gericht bestätigt Zulässigkeit der Todesstrafe trotz statistisch nachgewiesener Rassendiskriminierung / Hunderte in Todeszellen ohne Hoffnung / Keine rechtliche Möglichkeit mehr
Washington (ap) - Der Oberste Gerichtshof der USA hat am Mittwoch in einem Grundsatzurteil entschieden, daß die Gesetze über die Anwendung der Todesstrafe in den verschiedenen Unionsstaaten gültig sein können, selbst wenn sich aus Statistiken ableiten läßt, daß die Verhängung der Todesstrafe in rassendiskriminierender Weise erfolgt. In der wichtigsten Entscheidung über die Todesstrafe seit mehr als einem Jahrzehnt hielt das Gericht mit fünf gegen vier Stimmen das Todesstrafensystem des Staates Georgia aufrecht, ungeachtet des Umstandes, daß Mörder von Weißen in diesem Südstaat mit größerer Wahrscheinlichkeit zum Tode verurteilt werden als Mörder von Schwarzen. Die Entscheidung machte die Hoffnungen zahlreicher Gegner der Todesstrafe zunichte, die sich eine Chance ausgerechnet hatten, Hunderte der fast 1.900 in Todeszellen in allen Teilen der Vereinigten Staaten einsitzenden Männer und Frauen retten zu können. In Justizkreisen hingegen wurde die Entscheidung mit Beifall aufgenommen. Die Entscheidung beseitigt die letzte rechtliche Möglichkeit, von der zahlreiche der Betroffenen im Kampf um ihr Leben Gebrauch machten. Seit der Oberste Gerichtshof im Jahr 1976 die Todesstrafe wieder für zulässig erklärte, sind in den USA 70 Hinrichtungen durch den elektrischen Stuhl, die Gaskammer, durch Erschießungskommando oder durch Injektion erfolgt. „Das Gericht räumt ein, daß Rassendiskriminierung in der Entscheidung darüber liegen kann, wer leben darf und wer sterben muß, aber es ist ihm gleich“, kommentierte Seth Waxman, ein Anwalt der Gruppe der schwarzen Kongreßabgeordneten, die Entscheidung. Jack Boger, der New Yorker Anwalt, der die Klage gegen das Todesstrafensystem in Georgia vor dem Obersten Gerichtshof vertrat, sagte, die Richter hätten „ein sehr starkes Muster der Diskriminierung“ ignoriert. Richter Lewis Powell, der die Meinung der Mehrheit des Gerichts schriftlich niederlegte, führte aus, daß eine statistische Studie des Todesstrafensystems in Georgia „höchstens eine Diskrepanz ergibt, die sich auf die Rasse zu beziehen scheint“. Diese Diskrepanz verletzte jedoch nicht die Bestimmungen der amerikanischen Verfassung, die jedem gleichen Schutz garantiere. Richter William Brennan, der das Urteil der Minderheit schriftlich fixierte, formulierte, es sei kein zu hoher Preis für ein Todesstrafensystem, das frei von Rassendiskriminierung sei, wenn einige überführte Mörder der Hinrichtung entgingen und dafür lebenslang im Gefängnis blieben. Reportage zu Rassismus und Todesstrafe Seite 7
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