Randale in Straßburg: "Die Polizei hat uns allein gelassen"
Die Polizei hatte während der Ausschreitungen in Straßburg Mannschschaftswagen in Nähe, kam jedoch 40 Minuten zu spät an brennenden Schauplätzen an.
PARIS taz Am Tag nachdem eine Zollstation, eine Apotheke, ein Hotel und zahlreiche andere Gebäude in Straßburg in Flammen aufgegangen sind, hat der sozialistische Bürgermeister der Stadt "Erklärungen" über die polizeiliche Strategie verlangt. Zugleich forderte Roland Ries den Staatspräsidenten zu "Entschädigungsleistungen" für den Stadtteil auf. Straßburg habe, so Bürgermeister Ries, seinen Teil an den Vorbereitungen für den Nato-Gipfel geleistet: "Für den Polizeieinsatz sind wir nicht zuständig." In Paris verlangen OppositionspolitikerInnen eine "Untersuchung" über den Polizeieinsatz.
Während sich vermummte Mitglieder des "Black Block" am Samstag in ihrem Stadtteil zu schaffen machten, waren die BewohnerInnen auf sich gestellt. Am Montag berichten Frauen aus dem Quartier Port du Rhin, sie hätten vergeblich versucht, die Inbrandsetzung ihrer einzigen Apotheke zu verhindern. Andere AnwohnerInnen schafften es immerhin, eine Schule in dem sozial schwachen Stadtteil, der an der Europabrücke liegt, zu schützen. "Die Polizei hat uns im Stich gelassen", stellen AnwohnerInnen bitter fest: "Sie hat den Gipfel und die wohlhabenden Stadtteile verteidigt. Aber nicht uns." Am Mittwochmorgen wollen sie deswegen protestieren.
Die Polizei hatte während der Randale Mannschaftswagen in 200 Meter Entfernung, kam jedoch erst 40 Minuten nach Beginn der Randale direkt an die brennenden Schauplätze. Die Feuerwehr brauchte sogar 50 Minuten. Die Sicherheitskräfte waren an dem Tag mit einer Rekordzahl von 9.000 PolizistInnen, 1.500 SoldatInnen und 1.500 Feuerwehrleuten in Straßburg anwesend. In den Tagen vor dem Gipfel kontrollierten sie in hoher Zahl auch den Stadtteil Port du Rhin. Doch nachdem die Nato-GipfelteilnehmerInnen den Stadtteil am Morgen durchquert hatten, zog die Polizei ab. Ihr spätes Eintreffen am Ort der Randale begründen die Sicherheitskräfte mit der "Verstopfung" der Straßburger Innenstadt.
Straßburgs Vizebürgermeister Philippe Bis (PS) erklärt gegenüber der taz, dass zahlreiche Bilder von der Randale vorliegen. Daher sei bekannt, dass die AkteurInnen Mitglieder des "Black Block", aber nicht Anwohner des Stadtteils oder anderer Straßburger Vororte seien. Insgesamt sind vor, während und nach dem Nato-Gipfel 300 Personen in Straßburg festgenommen worden. Neun von ihnen hatten bereits am Montagnachmittag ein Schnellverfahren vor der örtlichen Justiz, darunter drei junge Deutsche, ein Russe und mehrere Franzosen. Sie waren schon vor Gipfelbeginn mit Äxten, Steinen und anderen Geschossen festgenommen worden.
In der legalen Demonstration, die von massiven Polizeikräften begleitet war, gab es schwere Kritik an dem Polizeieinsatz. So erklärte der Chef der Linkspartei NPA, Olivier Besancenot, die Polizei habe die Demonstranten in eine "Falle" gelockt.
Die einzige Positivmeldung über den Großeinsatz, der es nicht schaffte, mit 1.000 Leuten aus dem schwarzen Block fertig zu werden, kommt von der Polizei selbst. Die Präfektur in Straßburg lobt ihren Einsatz in einem Kommuniqué: "Trotz der gewalttätigen Attacken haben die Ordnungskräfte die komplette Kontrolle über die Lage behalten."
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