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Ralf Sotscheck Irland trocknet aus

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Weihnachten ist vorbei. In Irland haben 5.250 Kinder und 11.500 Erwachsene die Feiertage in Notunterkünften oder unter freiem Himmel verbracht. Binnen zehn Jahren ist die Zahl der Obdachlosen um 630 Prozent gestiegen. Hinzu kommen Asylbewerber und die Geflüchteten aus der Ukraine, die versorgt werden müssen.

Damit lässt sich viel Geld verdienen. Da man nur 16 Prozent in staatlichen Zentren unterbringen konnte, bat die Regierung den privaten Sektor um Unterstützung. Und der half gern. Schließlich geht es um lukrative Verträge für die Bereitstellung von Betten. So nehmen zahlreiche Hotels keine lästigen Touristen mehr auf, sondern stattdessen Menschen in Not, die ihre Betten selber machen, sodass das die Eigentümer beide Hände zum Geld scheffeln frei haben.

Der Staat gab über einen Zeitraum von fünf Jahren 4,3 Milliarden Euro für private Anbieter aus. Oft kassieren Abgeordnete und ihre Familienangehörigen für die Unterbringung. Der Rechnungshof hat das System als „schnell wachsende, schlecht kontrollierte Branche“ bezeichnet. Die Unternehmen müssen keine Finanzberichte vorlegen, und manche Unterkünfte sind eigentlich unzumutbar.

Allein Seamus McEnaney, ein ehemaliger Trainer für gälische Sportarten, kassierte mit seiner Großfamilie seit 2018 über ein Netzwerk von Unternehmen mehr als 200 Millionen Euro. Manche kriegen den Hals nicht voll: Im Oktober stellte der Rechnungshof fest, dass ein privater Anbieter Mehrwertsteuer in Höhe von 7,4 Millionen Euro verlangt hat, obwohl solche Unterkünfte mehrwertsteuerfrei sind.

Selbsthilfe wird bekämpft. Als Obdachlose ein denkmalgeschütztes, aber leerstehendes Haus von McEnaney besetzten, klagte der. Das Gericht urteilte, dass McRaffgier den Leuten stattdessen Betten in einem seiner Unterkünfte zur Verfügung stellen müsse – gegen Staatsgelder natürlich.

Die Regierung hat sich der Wohnungsnot endlich angenommen – leider nur verbal. Irland benötige 50.000 neue Häuser pro Jahr, so meinen Politiker, während Experten von 90.000 Häusern ausgehen. Der Streit darüber ist sinnlos, denn beide Zahlen sind unrealistisch. Es gibt nicht genügend Wasser, um so viele Häuser zu versorgen oder deren Abwasser zu verarbeiten. Laut der zuständigen Behörde Uisce Éireann können in absehbarer Zukunft höchstens 30.000 neue Häuser pro Jahr bedient werden.

Das System der Wasserleitungen ist noch älter als ich – im Durchschnitt ist es 75 Jahre alt. Im Gegensatz zu mir sind die Leitungen undicht. Täglich versickern 37 Prozent des Wassers, das sind 626 Millionen Liter. Uisce Éireann erwartet, dass die gewerbliche Nachfrage bis 2040 um zwei Drittel steigen wird. Dann gibt es noch weniger Wasser für neue Häuser.Die Zahl der Obdachlosen und Asylsuchenden wird trotzdem steigen. McEnaney und Konsorten können sich auf viele frohe neue Jahre freuen.

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