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Ralf Sotscheck Der König der Hölle

Man findet Interessantes, wenn man in den Wicklow-Bergen südlich von Dublin spazieren geht. Vor einigen Jahren entdeckten wir eine Waschmaschine und einen Kühlschrank, die in einem idyllischen Bergsee schwammen. Offenbar wollte jemand die Entsorgungskosten sparen. Ein Bergwanderer hingegen fand neulich eine Granate und nahm sie mit nach Hause. Weil ein anderer aus der Wandergruppe ein Foto davon veröffentlicht hatte, löste die Armee eine landesweite Suchaktion aus. Schließlich wurde man in der Kleinstadt Carlow fündig, evakuierte ein Dutzend Häuser, beschlagnahmte die Granate und fragte den Wanderer, ob er noch alle Tassen im Schrank habe.

Die Armee nutzt das Glen of Imaal, eine abgelegene Schlucht in den westlichen Wicklow Mountains, als Artillerieschießplatz. Wanderer sollen die Zeiten der Schießübungen beachten und keine fremden Gegenstände aufheben. Offenbar vergisst die Armee nämlich bisweilen ihre Munition. 1979 lösten Jugendliche bei einem Orientierungslauf einen Sprengsatz aus, der drei Menschen tötete. Knapp 40 Jahre zuvor hatten sich 16 Soldaten mit einer Panzerabwehrmine versehentlich selbst in die Luft gesprengt. Ein Überlebender ermordete 1947 in Dublin zwei Männer, wurde aber wegen seines Erlebnisses mit der Mine für unzurechnungsfähig befunden.

In den Wicklow Mountains hat es in der Vergangenheit viele zwielichtige Vorfälle gegeben. Im Laufe der Jahre wurden dort viele Leichen gefunden. In seinem düsteren Lied „In a Week“ beschreibt der Musiker Hozier, der aus Wicklow stammt, zwei Liebende, die sich auf den Weg in die Berge machen, um gemeinsam zu sterben.

Und der Gipfel des Montpelier Hill war ein Treffpunkt des Hellfire Club, der 1735 von Richard Parsons gegründet worden war. Die Mitglieder waren für ihre Ausschweifungen mit Alkohol und Sex bekannt. Die Geheimhaltung, die den Club umgab, führte zu Spekulationen, dass die Mitglieder Teufelsanbeter wären. Der Präsident wurde „König der Hölle“ genannt und war wie Satan gekleidet – mit Hörnern, Flügeln und Hufen. Die Mitglieder sollen schwarze Messen abgehalten haben, bei denen Katzen und manchmal auch Diener geopfert wurden. Einmal gesellte sich ein Fremder zu den Clubmitgliedern, um Karten zu spielen. Als einer der Spieler eine Karte auf den Boden fallen ließ, bückte er sich, um sie aufzuheben, und sah, dass der Fremde statt Füßen gespaltene Hufe hatte.

Dagegen kam auch die Jungfrau Maria nicht an. Sie ist die Schutzheilige des nahe gelegenen „Lady’s Well“. Am Rand dieses heiligen Brunnens haben Gläubige Münzen und Schmuck zurückgelassen, ein uraltes Ritual. Sind die Waschmaschine und der Kühlschrank, die wir gefunden hatten, womöglich gar keine Umweltsauereien, sondern Opfergaben?

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