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Ralf Sotscheck Lärmbolzen im Schatten

In Dublin herrscht eine katastrophale Wohnungsnot, mehr als 15.000 Menschen sind obdachlos, aber manche haben weitaus schlimmere Probleme. Ali Hewson und Morleigh Steinberg, die Gattinnen der U2-Musiker Bono und The Edge, haben Einspruch gegen ein Wohnungsbauprojekt im vornehmen Vorort Killiney eingelegt, weil es Schatten auf ihre Luxusvillen werfen würde.

Ihr Einspruch hatte Erfolg, aber die Begründung dürfte den beiden Frauen nicht gefallen: Der Stadtrat lehnte die Baugenehmigung ab, weil die Baufirma nur vier Wohneinheiten geplant hat, was eine „Unterentwicklung eines Standorts mit bequemem Zugang zu öffentlichen Verkehrsverbindungen darstellen“ würde.

Das Unternehmen könnte also neue Pläne mit drei Mal so vielen Einheiten vorlegen und mit einer Genehmigung rechnen. Was das für Schatten werfen würde! Hewson und Steinberg müssten mit ihren U2-Ehemännern in permanenter Dunkelheit vegetieren. Das dämmert ihnen auch: Der Bauantrag sei ein trojanisches Pferd für die weitere Erschließung des Geländes, monierten sie.

Darüber hinaus sollen die Häuser jeweils sechs Bäder bekommen, die ja nicht mal ihre Luxusvilla habe, meinte Hewson. Früher gab es so etwas nicht, der Plebs musste sich in den vom Guinness-Konzern gestifteten öffentlichen Badeanstalten waschen.

Die U2-Frauen hätten sich ein Beispiel am Schlagzeuger der Popkapelle nehmen sollen. Larry Mullen, der im Dubliner Vorort Howth wohnt, überlässt nichts dem Zufall, wenn es um die Bebauung der Nachbargrundstücke geht: Er kauft sie kurzerhand auf.

Mullen besitzt ein riesiges Grundstück am Strand, das aus drei Häusern bestand. Eins der Häuser ließ er abreißen, um die Claremont Lodge, in der er seit mehr als zwei Jahrzehnten lebt, auf die doppelte Größe zu erweitern. Das dritte Haus wird derzeit renoviert, um es als Gästeunterkunft zu nutzen. Vielleicht könnte er es ja später an seine Bandkollegen mit Tageslicht­zuschlag vermieten.

Oder er baut ihnen ein Baumhaus, von wo aus sie einen weiten Blick über die Dubliner Bucht bis hin zu ihren schattigen Häusern in Killiney hätten. Das ist allerdings nicht so einfach, wie Joe Elliott von Def Leppard in einem bizarren Planungsstreit mit dem Bezirksrat erfahren musste. Die Beamten leiteten ein Verfahren ein, weil Elliott ein Baumhaus auf seinem Grundstück errichtet hatte. Am Ende lenkte die Verwaltung ein und erteilte eine nachträgliche Baugenehmigung, solange das Baumhaus „nur zum Spielen für Kinder“ genutzt werde.

Vielleicht wäre das auch eine Lösung für Hewson und Steinberg. Sie könnten im Garten Baumhäuser errichten, die Bono und The Edge zum Spielen und Singen vorbehalten blieben. Dann hätten sie in ihren schattigen Luxusvillen wenigstens Ruhe vor den beiden Lärmbolzen.

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